Weide: Der Baum, dem sich Schmerz und Fieber beugen

Wenn es im frühen Frühjahr über unseren Köpfen summt und brummt, können wir fast sicher davon ausgehen, dass wir unter einer Weide stehen. Sie bildet nämlich noch vor den ersten silbrigen Blättern nektarreiche „Kätzchen“, an denen sich die winterschwachen Bienen dankbar laben. Doch auch Menschen schätzen den auf der ganzen Nordhalbkugel gedeihenden, feuchtigkeitsliebenden und schnellwachsenden Baum sehr, etwa als Lieferant biegsamer Weidenruten zum Körbeflechten (althochdeutsch wîda = „die Biegsame“). Und unter den in weiten Bögen herabhängenden Ästen der malerischen Trauerweide verstecken sich seit Menschengedenken Kinder oder küssen sich Liebende. Wer will es ihnen verdenken!?

Ganz davon abgesehen ist die Weide wohl eines der besten Beispiele dafür, dass selbst die Superstars der modernen Medizin einen natürlichen Ursprung haben. Das allgegenwärtige Aspirin nämlich verdankt seine Kraft der sogenannten Acetylsalicylsäure (ASS). Deren Vorstufe Salicin steckt nun wiederum in der Weidenrinde … und brachte den Stein der Forschung überhaupt erst ins Rollen. 1897 stellte das deutsche Pharmaunternehmen Bayer Acetylsalicylsäure erstmals massenhaft synthetisch her; zahlreiche Generika folgten und heute fehlt ASS wohl in keinem Medizinschrank mehr. Schade, dass die Mutter des berühmten Medikaments darüber fast in Vergessenheit geraten ist.

Aber beginnen wir von vorne. Schon im Altertum wussten Heilkundige um die schmerzstillende, entzündungshemmende und fiebersenkende Wirkung der Weide. Diese Anwendungen sind noch immer brandaktuell. Nur den zusätzlichen Rat des griechischen Arztes Dioskurides würde man aus gutem Grund misstrauisch beäugen. Er nämlich schrieb: „Die fein geriebenen Blätter, mit Pfeffer und Wein genommen, sind bei Darmverschlingungen angebracht. Für sich mit Wasser genommen, verhindern sie die Empfängnis.“ Au weia, vergessen Sie das lieber schnell wieder.

Grüne Kapsel mit BlattLaut Kommission E, der höchsten deutschen Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel, eignen sich Zubereitungen aus Weidenrinde jedoch nachgewiesenermaßen zur Behandlung fieberhafter Erkrankungen, rheumatischer Beschwerden und Kopfschmerzen. Die Erfahrungsheilkunde steuert eine Empfehlung zur Behandlung von unspezifischen Rücken-, Gicht- und Arthroseschmerzen bei, bei der vor allem die Kombination mit Teufelskralle gute Erfolge erzielt. Gegen Fieber verstärkt ein Tee aus Linden– oder Holunderblüten die sowieso schon schweißtreibende Wirkung der Weide.

In der Bachblüten-Therapie hilft die Blüte Willow verbitterten Menschen, Verantwortung für ihr Schicksal zu übernehmen und das Leben wieder positiv zu sehen.

Gut zu wissen: Wer Schmerzen mit einem Weidenrinden-Präparat zu Leibe rückt, muss zwar etwas mehr Geduld haben als bei Aspirin & Co., doch hält die Wirkung dafür länger an. Zudem fehlt dem naturbelassenen Ahnen des Aspirins die gerinnungshemmende Komponente, so dass auch Patienten mit erhöhter Blutungsneigung und Magenempfindliche Weidenrinde gut vertragen. Äußerlich dient der Sud zur Erweichung verhornter Haut, etwa bei Hühneraugen, sowie der Behandlung von schlecht heilenden Wunden, Geschwüren, Ausschlägen, Mandel- oder Zahnfleischentzündungen. Hier kommen der hohe Gerbstoffanteil des Rindenextrakts und sein Gehalt an Flavonoiden zur Geltung.