Liebstöckel: Das heilkräftige „Maggikraut“

Liebstöckel – Levisticum officinale Foto: Bionorica

Marken wie „Tempo“ oder „UHU“ haben es geschafft – sie sind der Inbegriff ihres Produkts geworden. Umgekehrt ist diese Entwicklung eher selten … und doch trägt heute eine seit Jahrhunderten bekannte Pflanze den Namen einer erst 1886 von Julius Maggi entwickelten Würzsauce. Die Rede ist vom „Maggikraut“, Botanikern eher als Liebstöckel bekannt. Obwohl die Universalwürze in der charakteristisch eckigen Braunglas-Flasche nicht die winzigste Spur Liebstöckel enthält, hat ihr Produktname es bis in die Pflanzenbücher geschafft. Grund dafür ist ihr intensiv an das Kraut erinnernder Geschmack. (Unser Geheimtipp sind ein paar Tropfen Maggi auf dem Frühstücksei oder knusprigen Kartoffelpuffern; probieren Sie’s mal aus! Entweder man liebt es oder man findet es scheußlich.)

Wenn man das Aroma mag, ist Liebstöckel per se natürlich viel gesünder. Von seinem Geschmack profitieren Suppen, Eintöpfe, Fleisch- und Pilzgerichte ebenso wie z.B. Quarkgerichte oder Salatdressings; zudem werden sie besser verdaulich. Am besten verwendet man ihn frisch (notfalls getrocknet oder eingefroren), deshalb lohnt sich der Anbau im Garten oder großen Pflanzkübel. Achtung: Liebstöckel ist nicht nur als Gewürz sehr dominant, weshalb man ihn sparsam verwenden sollte. Er verhält sich auch im Garten, wenn ihm der Untergrund gefällt, ausgesprochen raumgreifend, verträgt sich nicht gut mit anderen Pflanzen und treibt jedes Jahr neu aus! Im Hochsommer Schaufelschießen röhrenartige Stengel mit hübschen gelben Doldenblüten bis zu zwei Meter nach oben. Aus ihnen bilden sich im Herbst Samen, die – etwa als Tee aufgebrüht – beachtliche Heilwirkung besitzen.

Während also in der Küche die petersilienähnlich aussehenden Blätter des Doldenblütlers regieren, nutzt die Medizin seine Wurzeln und Samen. Und wofür beziehungsweise wogegen? Hier sprechen die diversen Volksnamen der Pflanze Bände: Gichtstock, Gebärmutterkraut, Magenwurz, Wasserkräutel, Schluckwehrohr, Luststöckel oder Liebesröhre.

Dass das aromatische Kraut in der Welt von Harry Potter Zutat diverser Zaubertränke ist, lassen wir an dieser Stelle mal beiseite. Viel wichtiger: Schon Hildegard Grüne Kapsel mit Blattvon Bingen empfahl Liebstöckel bei Wassersucht, Husten, Hals- und Lungenschmerzen. Andere Heilkundige aller Epochen wendeten ihn obendrein gegen Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit (Carminativum-Tinktur), Rheuma, Erkrankungen der Harntrakts wie etwa Blasenentzündung oder Nierengrieß*, Menstruationsbeschwerden und sexuelle Kälte an. Der in Rom tätige Militärarzt Dioskurides formulierte es im 1. Jahrhundert n.Chr. anschaulich so: „Wurzel und Samen des Liebstöckel treiben den Harn und verhelfen Männern und Frauen nicht nur zu unkeuschen Gelüsten, sie tun es auch mit Begierde und Wonnen hernach“.

All diese Indikationen sind noch heute aktuell, denn Liebstöckel wirkt nachweislich stark entwässernd, harnsäurelösend, antibakteriell, antientzündlich, durchblutungsfördernd und krampflösend. Äußerlich sprechen Mittelohrentzündung (Ohrentropfen) und entzündliche Hautkrankheiten wie Akne oder Ekzeme (Waschungen mit Sud aus der Wurzel oder Betupfen mit Levisticum Urtinktur) gut auf die Behandlung an. Dem in der Schweiz und im Elsass üblichen Brauch, bei Halsweh Milch durch den hohlen Pflanzenstengel zu trinken, muss man heute aus medizinischer Sicht widersprechen – aber nur, weil Milch im Krankheitsfall unnötig verschleimend wirkt.

In der Reihe der Wirkstoffe geben äthetische Öle und Cumarine den Ton an. Die Cumarine sind übrigens auch verantwortlich dafür, dass die Haut unter Anwendung von Liebstöckelpräparaten lichtempfindlicher wird, ähnlich wie beim Johanniskraut. Meiden Sie also bitte währenddessen direkte Sonne und tragen Sie Sonnenschutzpräparate mit hohem LSF aus der Apotheke auf.

*Personen mit bekannten Nierenschäden sowie Schwangere sollen nicht mit Liebstöckel behandelt werden, da er die Nieren reizen und die Gebärmutter zu Kontraktionen anregen kann. Früher nutzte man diese „Nebenwirkung“ zur Austreibung der Nachgeburt oder nach Fehlgeburten.