Hafer: Das nahrhafte Frühstücksgetreide mit den vielen Zusatztalenten

Hafer ist vor allem eins: ein unübertroffener Energielieferant. Das britische und amerikanische Porridge kennt man hierzulande unter dem deutlich uncooleren Namen „Haferbrei“ seit Generationen. Auf den Frühstückstisch der Generation Instagram hat es aber erst das Trendfrühstück „Overnight Oats“ geschafft. (Dass das nichts weiter ist als ein Brei aus über Nacht eingeweichten Haferflocken, lassen wir mal beiseite.)

Der Hafer’sche Gesundheitswert liegt in einer Mischung aus hervorragend verwertbarem Eiweiß und sättigenden Kohlenhydraten, darmreinigenden Ballaststoffen, guten Fettsäuren, Phytosterinen, Lecithin, B-Vitaminen, Vitamin A, E und K, Calcium, Magnesium, Phosphor, Zink und vielen weiteren lebenswichtigen Nährstoffen. Das kürt Haferflocken zum vielleicht gesündesten Fastfood der Welt: Mit Wasser oder Milch anrühren, frische Früchte und vielleicht ein Schuss Leinöl dazu – fertig ist die löffelbare Power!

Wer hat’s erfunden?

Die Nutzpflanzen-Karriere des zarten, ursprünglich aus Kleinasien stammenden Rispengrases begann schon in der Bronzezeit. Während der Hafer-Anbau bei germanischen Völkern aus gutem Grund selbstverständlich war, sahen die Römer das durchsetzungsfähige Kraut eher als Acker-Ärgernis an. Griechische Ärzte wie Hippokrates oder Dioskurides nahmen Hafer zumindest als Krankenspeise und Heilmittel gegen Hautleiden ernst. Für nord- und mitteleuropäische Völker stellten die stärkereichen Körner jedoch lange ein günstiges Hauptnahrungsmittel dar; sie wurden mehrmals täglich als Brei und gebackene Fladen genossen.

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Die enorme Quellfähigkeit des Hafers machten sich unkompliziert denkende schottische Hausfrauen zunutze: Sie schütteten den dicken Brei in spezielle „Porridge-Schubladen“, wo er zu einer Art Laib erstarrte und über Tage hinweg auf verschiedenste Art wiederbelebt wurde – in Scheiben geschnitten, gebraten oder erneut zu Brei aufgegossen. Dass es in Schottland noch heute einen speziellen hölzernen Rührspatel (den spurtle) sowie eine Porridge-Weltmeisterschaft gibt, zeigt die große Bedeutung des Nationalgerichts. Vorsicht: Gerührt wird unbedingt mit der rechten Hand im Uhrzeigersinn! Alles andere bringt dem Aberglauben nach Unglück.

1770 kam (fast muss man sagen: leider) die Ablöse namens Kartoffel. Ab diesem Zeitpunkt geriet Hafer in kulinarische Vergessenheit und diente lange nur noch als Pferdefutter. Erst Pfarrer Kneipp holte ihn zurück aus den Ställen in die Küche, Badewanne und Teetasse. Er empfahl Bäder in Haferstroh-Sud bei Rheuma, Gicht, Nierengrieß, Unterleibsschwäche, Darmkoliken, Frostbeulen und Hautkrankheiten. Besonders gern gab er aber Haferschleim (also das abgeseihte Kochwasser von Flocken oder Grütze) als ausgezeichnet verdauliche, nahrhafte Schonkost. Tatsächlich existiert auch im 21. Jahrhundert kaum ein Rezept, das etwa bei Magenschleimhautentzündung/Gastritis, Magengeschwüren, Gallensteinen, Gelbsucht und vielerlei anderen Erkrankungen besser verträglich wäre – und dabei sogar noch Heilwirkung mitbringt. Hafer sondert nämlich beim Quellen einen dünnflüssigen Schleim ab, der sich wie Balsam auf gereizte Darm- und Mageninnenwände legt.Grüne Kapsel mit Blatt

Doch der Superschleim kann noch mehr: Sein Gehalt an dem unverdaulichen Ballaststoff Beta-Glucan bremst im Darm zum Beispiel die Aufnahme von Zucker aus der Nahrung. Auf diese Weise bleiben „Blutzuckerspitzen“ aus, die Typ-2-Diabetiker:innen das Leben schwer machen. Studien zeigen, dass regelmäßige Hafertage insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes signifikant positiv beeinflussen!*

Gleiches gilt für Cholesterin, das bei regelmäßigem Genuss von Haferflocken und -kleie zum Großteil unverwertet durchgeschleust und schneller abgebaut wird. Und zu guter Letzt senkt eine Ernährung, in der viel Vollkornhafer vorkommt, nachweislich zu hohen Blutdruck. Oft kann sogar die Dosis von blutdrucksenkenden Medikamenten reduziert werden.

So viel zum Korn, doch das war noch immer nicht alles:

Tee aus grünem, noch nicht blühendem Haferkraut kann bei regelmäßigem Genuss (2 bis 3 Tassen täglich) schmerzhafte Gicht-Attacken lindern. Zuständig sind hierfür bestimmte organische Kieselsäureverbindungen, die die Harnsäure im Blut senken und deren Ausscheidung über die Nieren beschleunigen. Auch für die Durchspülungstherapie der Nieren z.B. bei Nierengrieß ist dieser „Grüne Hafertee“ geeignet – und außerdem beruhigt er die Nerven.

Die Redensart „Die/den sticht der Hafer“ stammt vom der uralten Beobachtung ab, dass Hafer auf Pferde extrem belebend wirkt. Außerdem scheiden die Tiere bei sehr haferlastiger Ernährung einen Teil der harten Spelzen unverdaut aus … und das piekt am Ross-Po. Sinnbildlich beschreibt die Redewendung aufgedrehte, nervöse Menschen.

In der Homöopathie kommt gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip der umgekehrte Effekt zum Tragen: Das homöopathische Mittel Avena sativa findet unter bestimmten Voraussetzungen Einsatz bei allgemeiner Erschöpfung, Unruhe, Schlaflosigkeit, nervösem Durchfall und manchmal zur Tabakentwöhnung.

*Geben Sie ins morgendliche Porridge noch etwas Zimt, holen Sie sich einen weiteren Verbündeten zur gesunden Blutzuckerregulation in die Schüssel. Eventuell ist auf lange Sicht sogar weniger Insulin notwendig – das muss ärztlicherseits unbedingt im Auge behalten werden!