Herzgespann: Ruhe für Herz und Seele

Herzgespann – Leonurus cardiaca

Wer beim Namen „Herzgespann“ an eine von Pferden gezogene Kutsche für romantische Ausfahrten denkt, liegt ziemlich daneben. Obwohl: Mit Galoppieren hat es im weitesten Sinne doch zu tun – um genau zu sein, mit einem galoppierenden, rasenden, stolpernden Herzen.

Denn gegen solche nervösen Herzbeschwerden setzt man die oberirdischen Teile der dekorativen Heilpflanze erfolgreich seit dem Mittelalter ein; Gespann war das damalige deutsche Wort für Krampf. Bekannt war der aus Sibirien eingewanderte bis zu 1,50 Meter hohe Lippenblüter mit der bis zu 10 cm langen haarigen Blütenkrone schon vor unserer Zeitrechnung. Allerdings empfahlen Theophrastos von Eresos und Dioskurides den Löwenschweif (siehe botanischer Name; griech. leon = Löwe, oura = Schweif!) seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. nur gegen Magenleiden. Dass die Pflanze auch als Herzkräutel  taugt, erwähnte erstmals Johann Wonnecke von Kaub 1485 in seinem Buch Gart der gesuntheit und nannte es daher Cordiaca (cor = lat. Herz). Ab diesem Zeitpunkt wurde die Pflanze routinemäßig in Bauern- und Klostergärten kultiviert, was der Grund für heutige Wildvorkommen auf dörflichen Brachflächen und Viehweiden ist.

Wenig später rührten Pietro Mattioli, Paracelsus und Nicholas Culpeper das pulverisierte Kraut in Wein, sobald eine Patientin oder ein Patient über ein „zitterndes Herz“ klagte. Auch „melancholische Dämpfe“ vertreibe das Herzgespann und sorge so für ein fröhliches Gemüt. Leonhart Fuchs lobte es 1543 in seinem Kreutterbuch überschwänglich: „Herzgespann ist fürtrefflich gut zu dem Klopffen des Herzens. Item zu Krampf und lemung der Glider.“ Gleichzeitig verwendete man es als aromatisches Gewürz für Kartoffelgerichte und Quark sowie zum Grünfärben von Wolle.

Grüne Kapsel mit BlattDie moderne Heilpflanzenkunde bestätigt alle diese Einsatzgebiete: Funktionelle, nicht auf ein geschädigtes Organ zurückzuführende Herzbeschwerden sprechen auf Herzgespann fast immer gut an – vor allem dann, wenn sie eine nervöse, ängstliche Komponente haben. Der Grund ist die Fähigkeit der Pflanze, unseren körpereigenen Nervenberuhiger Parasympathikus anzuknipsen. Bei unregelmäßig auftretendem leichtem Herzrasen oder -stolpern* kann Herzgespann-Tee getrunken und überdies als feuchtwarme Kompresse auf die Herzgegend gelegt werden.    

Sogar bei wortwörtlichem Herzschmerz aufgrund von Liebeskummer oder Trennung kann diese Erste-Hilfe-Behandlung auf organischer Ebene unterstützen.

Als Zubereitung eignen sich grundsätzlich Tee, Kapseln oder Tinkturen, je nach Indikation auch gemeinsam mit z.B. Weißdorn oder Mistel. Das gleiche gilt für Hypertonie-Patient*innen, denen Herzgespann u.a. wegen seines Gehalts an blutdrucksenkenden Betainen, antioxidativen Flavonoiden und gefäßabdichtenden Rutosid gut tut.    

Frauen mit Wechseljahresbeschwerden, die sich neben Hitzewallungen, depressiver Verstimmung und Schlaflosigkeit auch noch durch lästiges „klimakterisches Herzklabastern“ äußern, profitieren von Herzgespann sehr. Zuständig sind hier pflanzeneigene Herzglykoside, das Alkaloid Leonurin sowie das Flavonoid Aogenin mit seiner östrogenregulierenden Wirkung. Empfehlenswerte pflanzliche Begleiter für das Klimakterium sind z.B. Traubensilberkerze, Frauenmantel, Melisse und Hopfen.

Ein weiteres erprobtes Einsatzgebiet ist Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), die ja meist auch mit nervöser Fahrigkeit einhergeht. Hier gibt man Herzgespann sinnvollerweise zusammen mit Baldrian und Wolfstrapp, selbstverständlich in Absprache mit dem behandelnden Arzt und niemals als 1:1-Ersatz für lebensnotwendige Medikamente.  

WICHTIG:

Wenden Sie Herzgespannkraut niemals in der Schwangerschaft an, denn es kann vorzeitige Gebärmutterkontraktionen anregen! Unter der Geburt ist dieser Effekt eventuell erwünscht – dann können ein paar Tässchen Tee dem neuen Menschlein zügig auf die Welt helfen und danach die Austreibung der Nachgeburt anregen.  

Auch wichtig: Herzgespann ist in freier Natur geschützt und darf nicht gepflückt werden. Wer es im Garten als Augen- und Bienenweide ansiedeln will, sät es im März bis April in gut durchlässige, humusreiche Erde (Samen nur leicht andrücken, es ist ein Lichtkeimer).

*Dass Herzbeschwerden jeglicher Art zur Abklärung in erfahrene kardiologische Hand gehören, versteht sich von selbst. Heilpflanzen können jedoch im Anschluss eine wertvolle Ergänzung zur ärztlichen Therapie sein: Leichtes nervös bedingtes „Herz-Unwohlsein“ ohne organische Ursache ist mit phytotherapeutischen Mitteln hervorragend zu beeinflussen.