Andorn: Der fast vergessene Lungen- und Magenfreund

Manche Heilpflanzen können zwar eine jahrhundertelange Erfolgsgeschichte vorweisen, sind jedoch heute kaum noch bekannt. Der Andorn ist eine dieser Pflanzen. Seine Verdienste um die Gesundheit des Menschen wurden nun endlich damit gewürdigt, dass man ihn 2018 zur Arzneipflanze des Jahres kürte. Wer übrigens aufgrund des Namens einen dornigen Vertreter der Botanik erwartet, wird enttäuscht: Lediglich die nach dem Abfall der kleinen weißen Blüten zurückbleibenden Kelchböden bilden einen stachelig aussehenden, kugelförmigen Scheinquirl am ca. 60 Zentimeter hohen kantigen Stengel. Diese „Stacheln“ bleiben zwar an Tierfell und Kleidung hängen, um die Verbreitung der Samen zu gewährleisten, doch Verletzungsgefahr besteht keinesfalls.

Grüne Kapsel mit BlattHildegard von Bingen und Paracelsus waren sich mit ihrem medizinischen Vorreiter Dioskurides einig darüber, dass der unscheinbare südländische Lippenblütler segensreich bei Atemwegserkrankungen einzusetzen sei. Tatsächlich löst er festsitzenden Schleim äußerst effektiv, was ihn bei hartnäckigem Husten und schleimiger Bronchitis auf den Plan ruft – am besten Seite an Seite mit weiteren Heilpflanzen wie Thymian und Spitzwegerich. Fürs Angeberlexikon: Ein solches schleimlösendes Medikament nennt man im medizinischen Fachjargon „Expektorans“ (lat. ex = „heraus“ und pectus = „Brustkorb“)!

Ein weiteres Anwendungsgebiet sind alle sogenannten dyspeptischen Beschwerden, die auf einen Mangel an Magensäure und Gallensaft zurückzuführen sind: Appetitlosigkeit, Gallenbeschwerden, Völlegefühl, Blähungen und Durchfall. (Noch ein Eintrag ins Angeberlexikon: „dyspeptisch“ kommt vom altgriechischen Wort dyspeptos = „schwer zu verdauen“). Der im Andornkraut reichlich vorhandene Bitterstoff Marrubiin ist dafür verantwortlich, dass nach der Einnahme die Verdauungssäfte zu fließen beginnen. Daneben finden sich zusammenziehende Gerbstoffe, Flavonoide sowie antibakterielles ätherisches Öl.

In Süd- und Mittelamerika werden Andornextrakte – in diesem Fall aus der Wurzel – obendrein zur Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes verwendet; entsprechende Forschungen hierzulande versuchen nun, auch diese Wirkungen zu belegen.

VORSICHT: Bei Gallenbeschwerden sowie Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren darf Andorn wie viele andere Heilkräuter nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingesetzt werden!