Birke: Stoffwechsel, Haare und Zähne frisch aufgemöbelt!

Birke – Betula Alba
Foto: Sidroga Gesellschaft für Gesundheitsprodukte mbH, Arzbacher Str. 78, 56130 Bad Ems

Mancher Pollenallergiker verflucht sie, der Möbelschreiner schätzt ihr helles Holz und sie liefert gleichzeitig Süße und Pech …, ohne welches zu bringen: Hätten Sie nicht längst der Überschrift entnommen, dass es hier um die Birke geht, würden Sie jetzt vermutlich verständnislos den Kopf schütteln. Weder den unliebsamen Beitrag des schwarzweiß berindeten Baums zur Heuschnupfensaison noch seine optimale Eignung als Möbel- und Brennholz müssen wir Ihnen erklären. Aber Süße? Und Pech?

Ganz einfach: Aus dem sehr süßen Saft der Birke, die man ähnlich dem Ahorn vorsichtig „anzapfen“ kann, gewinnt man industriell den so genannten Birkenzucker, besser bekannt als >Xylitol. Dieses alternative Süßungsmittel hat nicht nur 40 % weniger Kalorien als Zucker, sondern stärkt – beinahe unglaublich – obendrein die Zähne. Und wer auf nützliches Pech aus ist, röste in Survival-Situationen die papierartige äußerste Birkenrinde in einer verschlossenen Blechbüchse stundenlang auf Feuersglut. Die dabei entstehende schwarze, äußerst zähe und klebrige Substanz ist Birkenpech (oder –teer), das man früher als Dichtungsmittel für Boote und Gefäße ebenso verwendete wie als fixierende Brennpaste für Fackeln. In unverbranntem Zustand diente die widerstandsfähige, wasserdichte Birkenrinde (bircha = althochdeutsch „weiß, glänzend“) jahrtausendelang als Rohstoff für Schuhsohlen, Dachziegel und mehr. In Birkenholz- oder Rinden-Behältnissen blieben und bleiben aufgrund des hohen Gehalts an ätherischen Ölen Lebensmittel lange frisch, Besen aus Birkenreisig halten länger als andere und Wäscheklammern aus dem elastischen Birkenholz brechen nicht so schnell.

Ein kleiner kulinarischer Hinweis nicht nur für Überlebenskünstler: Wenn Ihnen im frühen Frühjahr, etwa ab März bis Ende April, frisch knospende Birken in den Spazierweg kommen, probieren Sie unbedingt die ganz hellgrünen, zartflaumigen, weichen Blätter! Sie schmecken eben so: hellgrün und zartflaumig, ganz leicht säuerlich und wie der Frühling in Person. Als Frühjahrsbotin und Fruchtbarkeitsgarantin holte man sich den schlanken, hellen Baum denn auch schon bei unseren germanischen und slawischen Vorfahren ins Dorf – als bunt geschmückten, der Göttin Freya geweihten „Maibaum“ ebenso wie in Form einer stärkenden Frühjahrskur aus Blättern und Baumsaft. Zwar Grüne Kapsel mit Blatthatte man dabei wohl kaum die Bikinifigur im Sinn, doch der Effekt dürfte weltweit eingetreten sein: Alle Elixiere der Birke regen die Ausscheidungsorgane an und helfen so bei der Gewichtsreduktion, der Entlastung von Blase und Niere (sogar bei Nierengrieß) sowie gegen Gelenkbeschwerden wie Rheuma und Gicht. Äußerlich verwendete man Birkenextrakte damals wie heute zur Anregung des >Haarwuchses und zur straffenden Entschlackung, z.B. beim >Kampf gegen Cellulite. Gegen schlecht heilende Wunden kommen traditionell Salben mit Birkenteer zum Einsatz (Wirkstoff: Betulin), bei Durchfall hilft >Birkenkohle in Tablettenform.

Übrigens: Für die Tierwelt bieten Birkenwäldchen wertvollen Lebensraum. Mehr als 100 Schmetterlingsarten ziehen ihre Raupen bevorzugt dort auf, und mehrere Vogelarten nisten gern in den hohen Zweigen im Schutze des dichten Sommerlaubs.

Wirklich schade, dass dieser hübsche und nützliche Baum zwar beinahe überall wächst, Konkurrenz aber nicht gut verträgt. SchaufelSeine Ansprüche an die Bodenqualität sind minimal, solange genügend Licht vorhanden ist. Kommen dann schnell wachsende Baumkollegen dazu, geht die Birkenpopulation rasch zurück. Außerdem hat die Birke ein gespaltenes Verhältnis zu Pilzen: Während sie mit Fliegenpilzen eine nicht nur optisch hübsche, sondern für beide nützliche Symbiose eingeht, verursacht ihr der Schlauchpilz Taphrina betulina Ungemach in Form des sogenannten „Hexenbesens“ – eine Missbildung, bei der an den befallenen Stellen buschige, vogelnestartige Neuaustriebe entstehen. Deren besenartiges Aussehen führte zu dem Aberglauben, dass Hexen mit ihren Flugbesen im Baum hängengeblieben waren. Auch der schmarotzende Birkenporling, ein heilkräftiger Baumpilz, den bereits der berühmte Eiszeitmann Ötzi als „Hausapotheke“ bei sich trug, kostet die Heldin dieses Pflanzenporträts einige Kraft. So wird kaum eine Birke älter als 160 Jahre.

(Dass Birken mehr als andere Bäume Blitze anziehen, ist übrigens ebenso Unfug wie der Volksglaube, dass unter einer einzeln stehenden Birke irgendwann einmal die entscheidende Weltenschlacht stattfinden wird. Bitte stellen Sie sich bei Gewitter dennoch nicht ausgerechnet unter Einzelbäumen jeglicher Art unter, ok?)