Wintergrün: Der kaugummiduftende Schmerzstiller

Joanna Boisse, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Wintergrün (Gaultheria procumbens) ist eine dieser Pflanzen, von denen man meist nichts weiß, sie aber sofort am Geruch erkennen würde. Die Palette der Einsatzgebiete könnte dabei unterschiedlicher nicht sein: Kaugummis, Mundspülungen, Rheumabäder, Kautabak und der USA-typische Softdrink Root Beer beziehen ihr Aroma bzw. ihren charakteristischen Duft ebenso aus Wintergrün-Extrakten wie … ja, leider: Chemietoiletten (in denen allerdings ein synthetischer Zwilling müffelt). Kein Wunder, dass der süßlich-würzige Geruch international polarisiert!

SchaufelBotanisch gehört der auch als Wintergreen, niederliegende Scheinbeere oder Teppichbeere bekannte Zwergstrauch zu den Heidekrautgewächsen. Er ist hauptsächlich in den Wäldern des östlichen Nordamerikas beheimatet, wo er zwischen Juni und August kleine weiße oder rosafarbene Glöckenchenblüten und anschließend bis zu 1,5 cm große, leuchtend rote essbare Beeren trägt. Die Blätter sind dunkelgrün glänzend, ledrig und haben einen fein gezähnten Rand. Man kann den hübschen Bodendecker auch hierzulande kultivieren, sofern der Boden ausreichend feucht ist.

In den USA werden Wintergreen-Blätter als Genusstee aufgegossen und die Früchte in Gebäck verarbeitet, während wir in Deutschland fast nur die medizinischen Talente der Pflanze kennen. Und diese verdienen einige Anerkennung! Das ätherische Öl aus den dunkelgrünen ledrigen Blättern der Pflanze enthält nämlich verblüffende 98–99 % Methylsalicylat, das chemisch nah mit dem Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) verwandt ist.

Methylsalicylat hat stark entzündungshemmende, durchblutungsfördernde, durchwärmende und schmerzstillende Eigenschaften, die man sich allerdings nicht innerlich, sondern in Form von Salben, Gels, Sprays, Bädern und anderen äußerlichen Anwendungen zunutze macht. Anders als ASS ist Methylsalicylat aus Wintergrün nämlich „dermagängig“, wird also gut über die Haut aufgenommen und kann deshalb lokal wirken.

ACHTUNG:

Das in Fertigprodukten verwendete und auch pur erhältliche ätherische Wintergrün-Öl ist zur innerlichen Einnahme nicht geeignet, weil es bereits in geringen Mengen toxisch wirkt! Bei Einnahme blutverdünnender Medikamente sollten auch Salben, Bäder und andere Produkte mit Wintergrün sparsam eingesetzt werden. Die ebenfalls blutverdünnende Wirkung des Methylsalicylats kann sonst zusammen mit Marcumar o.Ä. zu stark sein.

Für Harnwegsinfekte, die man in der Heimat des Wintergrüns durchaus mit einem desinfizierenden Tee aus den Blättern behandelt, stehen ausreichend Alternativen wie z.B. Goldrute, Bärentraubenblätter oder Hauhechel zur Verfügung. Bei unkomplizierter Blasenentzündung werden allerdings erwärmende Einreibungen des Unterleibs mit einem „Schmerzöl“ aus 100 ml fettem Trägeröl (z.B. Johanniskraut oder Jojoba) und ca. 20 Tropfen ätherischem Wintergrün-Öl als äußerst wohltuend empfunden.

Dieses Öl kann man, wenn der Duft als angenehm empfunden wird, auch bei Kopfschmerzen auf die Schläfen massieren – eventuell begleitet von einer Tasse Wintergrünblatt-Tee. Bei Fieber entsprechen dessen Effekte ziemlich genau denen von Weidenrinde oder Mädesüß, die beide ebenfalls Salicylsäure enthalten. Rheumatisch-entzündliche oder Arthroseschmerzen, Fibromyalgie, Muskelverspannungen und Sportverletzungen (nach der Akutphase, die Kühlung erfordert!) sprechen auf äußerliche Wintergrün-Anwendungen wie Ölmassagen oder Vollbäder hervorragend an.

Eine weitere interessante Indikation ist der Verlust des Geruchssinns, z.B. nach COVID-19-Infektionen. Im Sinne einer Resensibilisierung der Geruchsnerven kann das bewusste mehrmals tägliche Schnuppern an geruchsintensiven ätherischen Ölen wie Wintergrün, Eukalyptus & Co. mit etwas Geduld zum Erfolg führen.

NICHT IN DER SCHWANGERSCHAFT EINNEHMEN!

Die stark durchblutungsfördernde Wirkung von ätherischem Wintergrünöl kann vorzeitige Wehen auslösen, weshalb Schwangere auf jede Anwendung, auch die als Tee, verzichten sollten. Auch für die empfindliche Haut von Kleinkindern könnten wintergrünhaltige Massageöle etc. zu stark reizend sein, weshalb man bei ihnen lieber zu milderen Alternativen greift.