Eiche: Die standhafte Heilige für Magen und Haut

Eichenblatt mit Eichel

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An was denken Sie zuerst, wenn Sie das Wort „Eiche“ hören? Haben Sie eine klobige altdeutsche Wohnzimmer-Schrankwand in Eiche rustikal vor Augen, ein genüsslich im Waldboden wühlendes Wildschwein, ein keltisches Götteranbetungs-Ritual oder ein Skatspiel? Alle vier wären auf ihre Weise richtig – aber über den mächtigen, bis zu 40 Meter hoch aufragenden Baum mit den unverwechselbar gelappten Blättern und der markanten Rinde gibt es noch viel mehr Spannendes zu erfahren.

Zum Beispiel hat die Tradition, zu Weihnachten Mistelzweige als Glücksbringer aufzuhängen, keltische Wurzeln: An einem bestimmten Tag des Jahres bestiegen die Dorfdruiden ausgewählte Eichen, schnitten dort Misteln und verteilten sie als Schutzamulette an das Volk. Wie heilig der Baum vielen Völkern war, sieht man am Begriff „Druide“: Die Eiche hieß in der keltischen Kultur dru, auf Altgriechisch drys.

Ebenfalls um Schutz geht es bei dem ebenso alten wie kreuzgefährlichen* Ratschlag „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen“, der in Unwetter geratene Wanderer vor Blitzschlag bewahren soll. Das Sprichwort hat seinen Ursprung in der germanischen Mythologie, in welcher der Gewitter- und Kriegsgott Donar (= Thor) die ihm geweihten Eichenbäume so sehr liebte, dass er sie mit Blitzen streichelte. Tatsächlich werden Donars Darlings häufiger vom Blitz getroffen als andere Baumarten – aber deshalb ist man unter einer Buche noch längst nicht sicher! Vielmehr wachsen Eichen mit Vorliebe auf Kreuzungspunkten von Wasseradern, in die sie ihre langen Pfahlwurzeln hineinsenken. Wasser zieht durch seine gute Leitfähigkeit Blitze geradezu magisch an, während Eichen oft größer sind als umstehende Partnerbäume. Voilà: ein regelrechter Blitzmagnet.

Kelten und Germanen hätten sich also wohl sämtliche Haare ausgerauft, wären sie Zeugen späterer Holzwirtschaft geworden. War bei ihnen die Fällung einer heiligen Eiche noch mit Todesstrafe bewehrt, bauten unzählige Generationen nach ihnen aus dem harten Holz massenhaft Schiffe, Dachstühle, Fässer, Möbel und alles, was lange halten sollte.

In Notzeiten machte man sich vor allem den hohen Protein- und Kohlenhydratgehalt der Eichelfrüchte zunutze: Durch Wässern entbittert, danach getrocknet und gemahlen geben sie einen sättigenden Ersatz für Mehl sowie recht passablen „Kaffee“ ab. Wer den Aufwand nicht scheut, kann als ganz besondere Köstlichkeit sogar Eichelnougat zaubern.

Schauen wir uns die außergewöhnliche Robustheit des Eichenholzes näher an, sind wir auch endlich beim medizinischen Teil dieses kleinen Heilpflanzenporträts angekommen. Denn das Holz ist im Zimmerei- und Tischlerhandwerk nicht nur wegen seiner Härte, sondern auch wegen seiner Resistenz gegen Schädlinge beliebt, die auf den extrem hohen Gehalt an Gerb- und Bitterstoffen zurückzuführen ist. Und diese verleiden nicht nur Fraßfeinden in allen Baumteilen den Appetit, sondern sind auch ein Segen für gereizte, entzündete (Schleim-)Hautflächen aller Art.

Eichenrinde

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Für medizinische Zwecke kommen heutzutage weder Eichenblätter noch die nussartigen Früchte zum Einsatz, sondern nur noch die Rinde junger Zweige und Äste. Sie enthält bis zu stolze 20% Gerbstoffe, die sie bereitwillig in Teeaufgüsse oder alkoholische Tinkturen abgibt. Durch den adstringierenden (also zusammenziehenden) Effekt verkleinert sich die Oberfläche der Haut bzw. Schleimhaut; Krankheitserreger verlieren an Angriffsfläche und exzessive Flüssigkeitsabsonderungen werden gebremst. Gleichzeitig wirken verschiedene Komponenten des Extrakts antibakteriell.

Grüne Kapsel mit BlattInnerliche Anwendungsbereiche sind folgerichtig alle Erkrankungen des Magen-/Darmtrakts von entzündlicher oder „wässriger“ Natur. Dazu gehören Durchfall, Darmentzündungen und sogar die unterstützende Behandlung blutender Magengeschwüre. Eine Anwendungsdauer von 3 bis 4 Tagen am Stück soll dabei nicht überschritten werden.

Sitzbäder in Eichenrinden-Sud lindern Schmerzen, Juckreiz und Entzündungen bei Hämorrhoiden, Mastdarmfisteln, Scheideninfektionen (auch pilzbedingt) und Beschwerden nach Dammrissen. Gleichermaßen helfen adstringierende Waschungen oder Umschläge mit Eichenrinden-Aufguss gegen Fußpilz, Psoriasis, nässende kleinflächige Ekzeme, Hautunreinheiten, Furunkel, Abszesse, Venenentzündungen, Frostbeulen, Verbrennungen, schlecht heilende Wunde sowie übermäßigen Hand- und Fußschweiß.

Wer unter Halsentzündung oder Zahnfleischbluten leidet, kann mehrmals täglich mit einem starken Tee oder einigen Tropfen Eichenrinden-Tinktur in Wasser gurgeln – am besten abwechselnd mit Blutwurz-Tinktur.

In der Gemmotherapie, einer Art „Stammzellentherapie“ mit Baumknospen, macht man sich die ganze strotzende Kraft der Stieleiche (Quercus robur) zunutze. Das Gemmomazerat wird empfohlen für Menschen, die z.B. nach langer Krankheit oder durch lange Stressphasen kraftlos, erschöpft und mutlos geworden sind. Ähnliche Indikationen hat die Bachblüte „Oak“ auf rein psychischer Ebene.

ACHTUNG:
Manche Menschen reagieren auf hohe Dosen Eichenrinde mit Magenbeschwerden, Verstopfung oder Unwohlsein. Bei Herzinsuffizienz, starkem Bluthochdruck oder fieberhaften Erkrankungen ist vor Anwendung die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt zu Rate zu ziehen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Wirkung anderer Medikamente wegen der verdichteten Magenschleimhaut herabgesetzt wird – fragen Sie deshalb bitte immer in Ihrer Apotheke nach.

 

*Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, sich im freien Gelände wirklich vor Blitzschlag zu schützen: möglichst weit weg von allen hoch aufragenden Strukturen (Bäume, Pfähle, Masten) ganz klein zusammenkauern, dabei die Füße eng zusammenstellen – und warten, bis das Gewitter vorbeigezogen ist.