Nelken: betäubend aromatische „Nägelchen“

Gewürznelken

Nelke
Syzygium aromaticum
manchmal auch: Caryophyllus aromaticus, Eugenia aromatica oder Eugenia caryophyllata.

Kam es Ihnen nicht auch immer seltsam vor, dass im von Johannes Brahms vertonten „Wiegenlied“ das besungene Kindlein nicht nur von Rosen bedacht, sondern auch „von Näglein besteckt“ schlafen soll? Denn bequem kann das ja wohl kaum sein, außer man hat Fakir-Gene! Aber still, still – im Lied sind ja gar nicht Nägel oder Dornen gemeint, sondern, jawohl: Nelken. Die süßlich-zimtscharf duftenden, an kleine Negelken erinnernden Blütenknospen des Nelkenbaums Syzygium aromaticum nutzte man nämlich schon zu Entstehungszeiten des Liedtextes (um 1800) gegen Infektionskrankheiten und Ungezieferbefall. Das Lied möchte also das schlafende Kind gegen schädliche Einflüsse geschützt sehen. Eigentlich eine gute Idee; aus demselben Grund hatten die Ärzte während der mittelalterlichen Pestepidemien stets eine Nelke im Mund und waren mit Ketten aus getrockneten Nelken behängt. Ihrem besonderen Aussehen verdanken Gewürznelken übrigens auch den englischen Namen cloves – das lateinische Wort clavus bedeutet Nagel. Im Baskenland heißen sie wiederum iltze-kanela: Zimt-Nägel. Eine äußerst „sprechende“ Namensgebung!

chef-hat-309146_640Damit sei nun aber der Etymologie genug und wir wenden uns dem Bereich zu, in dem uns die Heilpflanze 2010 am häufigsten begegnet: in der Küche. Oder können Sie sich Glühwein, Lebkuchen, Chai-Tee und Rotkohl ohne Nelken vorstellen? Wohl kaum. (Unvergessen auch eine charakteristische Weihnachtsbastelei: mit Nelken gespickte Orangen. Dieser Duft!)
Während bei uns also Nelken typischerweise in der Weihnachtszeit anzutreffen sind, gehören sie in vielen Gewürzmischungen der Welt ganzjährig dazu. Essenziell sind sie z.B. in manchen indischen garam masalas und Currypulvern, im chinesischen Fünf-Gewürze-Pulver sowie im maghrebinischen Ras el Hanout. Auch die englische Worcestershire Sauce bezieht ihr Aroma teilweise aus Nelken … schmecken Sie beim nächsten Restaurantbesuch mal bewusst hin!

Grüne Kapsel mit BlattNeben ihren kulinarischen Anwendungsgebieten punktet die Gewürznelkenicht ihre knopflochbewohnende Namensschwester! – vor allem medizinisch. Wie viele andere hocharomatische Gewürze bringt sie intensive antibakterielle Eigenschaften mit, die vor allem dem hohen Anteil an ätherischem Öl (bis zu 15 %) und Eugenol (bis zu 85 %) zu verdanken sind. Eugenol, das auch in Zimt vorkommt, wirkt überdies lokal betäubend. In Zeiten vor Paracetamol und Ibuprofen waren Gewürznelken, gekaut oder direkt im Ganzen in den hohlen Zahn gestopft, ein probates Mittel gegen Zahnschmerzen, das man durchaus weiterhin in Erwägung ziehen kann.

Noch heute findet sich ätherisches Nelkenöl in vielen Zahnpflegeprodukten, weil es die Mundflora desinifiziert und so gegen Mundgeruch und Zahnfleischprobleme wirken kann. Äußerlich in Form von Salben wärmt es die Muskulatur, was bei Verspannungen und Gelenkschmerzen wohltuend ist. Gleichzeitig würde man, derart gesalbt, lästige Wespen und andere Insekten in die Flucht schlagen – sie mögen Nelkenduft gar nicht.
Als Zugabe in Speisen und Getränken können Nelken die Fettoxidation aufhalten, was Magen und Leber entlastet. Bei Verdauungsschwäche, Blähungen, Völlegefühl und Appetitlosigkeit sollten Nelken also häufig genossen werden!
Achtung

ACHTUNG: Schwangere verzichten bitte auf stark Nelkenlastiges, weil hohe Dosen des Gewürzes frühzeitig Wehen auslösen können.

Weniger empfehlenswert ist das Rauchen von Nelkenzigaretten, obwohl sie manch einem den Abschied vom „normalen“ Tabak erleichtert haben. Unglaublich: Im indonesischen Raum sind diese „Kretek“-Zigaretten so verbreitet, dass mehr als die Hälfte der jährlichen Gewürznelken-Ernte dafür ver(b)raucht werden! Wie gut, dass nicht mehr nur die Molukken, die ursprüngliche Nelkenheimat, als Lieferant zur Verfügung stehen. Mittlerweile kommen Gewürznelken hauptsächlich von der tansanischen Insel Pemba. Sie ist so flächendeckend mit Nelkenbäumen bepflanzt, dass man das betäubende Aroma angeblich schon riecht, sobald man sich mit dem Schiff nähert. Die Knospen werden vorsichtig vor dem Erblühen per Hand gepflückt und verlieren beim Trocknen 75 % ihres Erntegewichts.

Tipp: Gute, frische Nelkenqualität erkennen Sie, wenn Sie den Stiel mit dem Fingernagel eindrücken und etwas Öl austritt. In Wasser gelegt, sollten die Nelken dann nicht waagerecht auf der Oberfläche schwimmen, sondern entweder schnell absinken oder mit dem Köpfchen senkrecht nach oben treiben.