Wacholder: Bekömmlichmacher und Durchputzer

Gemeiner Wacholder, Juniperus communis

Gemeiner Wacholder, Juniperus communis

War in mittelalterlichen Rezeptbüchern und Minnesängen von „Krammetsvögeln“ die Rede, war damit die Wacholderdrossel gemeint. Der hübsche Sänger verdankt diesen Namen seinem Leibgericht: den Beeren des „Krammetsbaums“, hinter dem sich kein Geringerer verbirgt als der Held dieses Beitrags. Tatsächlich geht ein großer Teil seiner Verbreitung auf das Konto von wacholderbegeisterten Vögeln, die seine steinharten Beeren erst verzehren und dann gerade so weit anverdauen, dass sie am Ort ihrer Wiederausscheidung frisch draufloskeimen. Weitere volkstümliche Namen des Wacholders sind Machandel-, Kranewitt-, Feuer- und Weihrauchbaum sowie, in Pommern, „Knistebusch“ … weil seine Zweige beim Verbrennen lautstark knistern. Entzückend!
Bleiben wir noch kurz bei der Etymologie und betrachten die lateinische Bezeichnung des Zypressengewächses, das bis zu Achtungerstaunliche 2000 Jahre alt werden kann: Juniperus communis heißt der Gemeine Wacholder in der Botanik, das kommt von juvenis (= Jüngling) und parere (= gebären) – ein Hinweis auf die abtreibende Wirkung der Pflanze. Auch heute noch wird deshalb Schwangeren vom Verzehr wacholdergewürzter Speisen sowie entsprechender Tees und Salben abgeraten.

Hoch geachtet war der Wacholder nicht nur als Gewürz, sondern auch als Schutz: im Mittelalter räucherte man mit aromatisch duftendem Wacholderholz gegen Ansteckung mit der Pest, auf Rügen gehörte gegen böse Geister ein Wacholderzweig ins Fundament und unter den Dielen norddeutscher Fachwerkhäuser hielten eingestreute Wacholdernadeln Mäuse fern. Kein Wunder – die Nadeln pieksen erbärmlich und sind der Horror für zarte Mäusepfötchen.

Fast die gesamte Erdkugel wird von den zahlreichen Wacholderarten bevölkert. Je nach Bodenbeschaffenheit und Klima bildet er eine geduckt bodennahe Strauchform, stattlich-hohe Buschigkeit oder eine prägnante, bis zu 18 Meter hohe Baumform aus. Am wohlsten fühlt sich der „Baum des Jahres 2002“ in lichten Nadelwäldern, Mooren (obwohl er Trockenheit liebt) und Heiden – Hauptsache viel Licht und wenig Konkurrenz. Verwechslungsgefahr besteht mit dem hochgiftigen Sadebaum (Juniperus sabina), der regelmäßige pharmakologische Kontrollen bei Gewürz- und Arzneimittellieferanten notwenig macht.

chef-hat-309146_640Dass Wacholderbeeren unverzichtbarer Bestandteil von Speisen wie Sauerkraut, Wildgerichten, geräuchertem Fisch und eingelegtem Gemüse ist, wissen Sie sicher. Aber warum? Nicht nur ihr süßlich-harzig-aromatischer Geschmack hat die Wacholderbeeren (die botanisch eigentlich Zapfen sind und am Zweig geschlagene drei Jahre lang reifen müssen!) hier ins Boot geholt. Vor allem macht Wacholder schwere, blähende Speisen besser verdaulich, indem er die Magensaftbildung anregt. Wer zu Sodbrennen, Blähungen und „unruhigem Magen“ neigt, sollte oft und großzügig mit Wacholder würzen und ihn ruhig auch als Tee genießen: 1 TL zerdrückte Wacholderbeeren mit kochendem Wasser übergießen, 5 Minuten ziehen lassen und direkt vor oder nach dem Essen trinken. Wer sich lieber einen hochprozentigen Digestif schönredet, punktet mit Gin, Genever oder Steinhäger. Diese Spirituosen werden aus der zwar bitteren, aber auch relativ zuckerhaltigen Wacholderbeere destilliert. Manch einer greift auch auf Wacholder Kapseln aus der Apotheke zurück.

Grüne Kapsel mit BlattMedizinisch ist Wacholder angezeigt bei allen Erkrankungen, die von einer stärkeren Durchblutung der glatten Muskulatur, antibakteriellen oder entgiftenden/ausschwemmenden Effekten profitieren. Darunter fallen alle Beschwerden des Magen-Darm-Trakts, der Blase, der Atemwege sowie des gelenknahen Bewegungsapparats, z.B. Rheuma oder Gicht (als Salben, Einreibungen und Bäder).
Mundgeruch verschwindet beim Kauen mehrerer Wacholderbeeren. Als angenehme Nebenwirkung springt auch gleich die Verdauung mit an, weshalb Entschlackungskuren ebenfalls ein guter Grund für gesteigerten Wacholderverbrauch sind.

Nierenpatienten müssen allerdings vorsichtig sein; bei Wacholder macht, wie bei so Vielem, die Dosis das Gift. (Eine Wacholder-Überdosierung äußert sich übrigens in veilchenartigem Geruch des Urins … und im Kamasutra findet sich eine Stellung namens „Der glühende Wacholder“. Wenn das nicht mal zwei neue Pracht-Fakten in Ihrer Bibliothek unnützen Wissens sind!)