Artischocke: Die leckere Knospe für Leber und Galle

ArtischockenArtischockenherzen im Salat und zarte gedünstete Artischockenblätter mit Vinaigrette-Dip sind beliebte (und kostspielige) Delikatessen. Auch den bekannten italienischen Kräuterlikör Cynar ziert das Bild einer Artischocke. Dass er gern als Digestif nach üppigen Mahlzeiten auf den Tisch kommt, hat einen guten Grund: Er fördert durch seine Namensgeberin Cynara scylomus wirkungsvoll die Verdauung.

Die frostempfindliche, bis zu 2 Meter hoch wachsende Korbblüterin war ursprünglich im Mittelmeerraum sowie in Nordafrika, westlich bis Spanien samt kanarischen Inseln und östlich bis Persien beheimatet. Abbildungen der charakteristischen, distelähnlichen Blütenköpfe finden sich schon in altägyptischen Pharaonen-Grabkammern. Die griechische Mythologie erzählt die Geschichte der schönen Nymphe Cynara, die es wagte, das Werben des Göttervaters Zeus abzuweisen und als Strafe in eine stachelige Artischocke verwandelt wurde (griech. αγκινάρα – ankinára). Verschiedenste römische und griechische Schriften erwähnten über Jahrhunderte hinweg die Verwendung der Gemüseblüte als Lebensmittel und Medizin.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurden Artischockenpflanzen aus Sizilien nach Frankreich und Großbritannien importiert, wo sie in den Gärten des Adels ein regelrechtes Statussymbol waren. Nachdem italienische Einwanderer sie Ende des 19. Jahrhunderts auch in die USA eingeführt hatten, eignete sich die Mafia an der Ostküste unter Gewaltanwendung ein regelrechtes Monopol auf das begehrte Gemüse an. Der Bruch dieses Monopols führte 1935 zu den sogenannten Artischockenkriegen.

Blühendes Artischockenfeld

Heute werden Artischocken vor allem im Süden Frankreichs, in Mittelitalien und den milden Klimazonen der Atlantikküste angebaut. Arzneisorten mit erhöhten Wirkstoffgehalten kommen vielfach aus Deutschland sowie aus Süd- und Südosteuropa.

Und da war es endlich, das Stichwort „Arznei“. Denn Artischocken sind nicht nur ein kulinarisches Erlebnis, sondern auch medizinisch hochinteressant, vor allem für das Organtrio Leber – Galle – Bauchspeicheldrüse.

Wichtig: Der häufige Verzehr von Artischocken als Gemüse ist zwar ernährungsphysiologisch interessant, weil die Knospe bei wenigen Kalorien einen guten Vitamin-, Mineralstoff- und Proteingehalt aufweist. Da aber beim Kochen fast alle medizinisch relevanten Stoffe degenerieren und ihre Restbestände ins Kochwasser übergehen, müsste man eigentlich dieses zusätzlich trinken … und würde dennoch keine merkliche Wirkung erreichen. Verwendet werden deshalb entweder wirkstoffreiche Trockenextrakte aus den Artischocken-Grundblättern („verpackt“ in Kapseln, Dragees, Tinkturen und Tonika) oder ein Heilpflanzensaft aus den rohen Knospen.

Grüne Kapsel mit BlattWas wir davon haben: einen einzigartigen Mix von Artischocken-Inhaltsstoffen wie Caffeoylchinasäuren (z.B. Cynarin), Flavonoiden und Bitterstoff-Sesquiterpenen. Sie regen intensiv den Gallenfluss an, was mit vielen positiven Wirkungen einhergeht. Nicht nur die Galle wird dadurch besser durchspült (was Gallensteinen vorbeugen kann), sondern auch die Verdauung angeregt, v.a. wenn es um fettreiche Speisen geht. Hier ist der alkoholfreie Frischpflanzensaft ein idealer Aperitif: Ein kleines „Stamperl“ vor jeder Mahlzeit garantiert die zügige Aufspaltung von Nährstoffen und gnadenlose Emulgierung von Nahrungsfetten, die damit gar nicht erst eine Chance bekommen, zu Hüftgold oder Arteriosklerose zu werden.

Auch Patienten mit hohen Cholesterin- und Triglyzeridspiegeln profitieren von der Heilpflanze. Der Grund: Durch den erhöhten Gallenfluss wird vorhandenes „böses“ LDL-Cholesterin schneller ausgeschwemmt, während weitere Wirkstoffe seine Neusynthese hemmen und mehr „gutes“ HDL-Cholesterin (der Gegenspieler von LDL) gebildet wird. Insgesamt beugt dies auch Bluthochdruck vor und kann bestehende Hypertonie positiv beeinflussen.

Leberkranke sollten auf die Artischocke setzen, um dem angegriffenen Organ (z.B. nach Hepatitis, Leberzirrhose oder Alkoholmissbrauch) bei der Regeneration zu helfen: Artischockenpräparate haben nachgewiesene sogenannte hapatoprotektive, also leberschützende und -regenerierende Wirkung. Hier ist eine kurmäßige oder auch dauerhafte Einnahme sinnvoll, genau wie bei zu hohem Cholesterin.

Da auch die Bauchspeicheldrüse angesichts der stacheligen Schönen auf Touren kommt, kann sie ihre Teilaufgabe am Verdauungsprozess besser ausführen: die Bildung von Insulin, Glukagon und Verdauungssäften. Der sogenannte Bauchspeichel hilft bei der Aufschließung von Nährstoffen im Zwölffingerdarm, während Insulin und Glukagon am Start sind, sobald Kohlenhydrate wie z.B. Zucker den Organismus erreichen. Eine gute Bauchspeicheldrüsenfunktion ist deshalb nicht nur wichtig für eine geregelte Verdauung und gute Nährstoffverwertung, sondern verhindert zudem sogenannte Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten, die wenig später zu Heißhungerattacken führen können.

Für Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko ist die Artischocke ein Segen, weil sie das Risiko, an der Insulinmangelerscheinung zu erkranken, nachweislich senken kann.

A propos Heißhungerattacke: Obwohl Bitterstoffe grundsätzlich den Appetit anregen (was z.B. in der Rekonvaleszenz sinnvoll ist), sind Artischockensaft und -tee optimale Helfer bei übermächtigem Hunger auf Süßes! Probieren Sie’s aus: Ein Schlückchen Artischockensaft (aus dem Reformhaus oder der Apotheke) ist gar nicht sooo bitter, sondern schmeckt gemüsig und rund. Tee aus den Blättern ist schon eine andere „Bitterklasse“, was nicht jeder über sich bringt.

ACHTUNG:
Bei bestehenden Gallensteinleiden wäre eine Anregung des Gallenflusses gefährlich, weil Steine in die Gallengänge gespült werden und eine Kolik auslösen könnten. Auch wenn Artischockenpräparate theoretisch eine gute Vorbeugung gegen erneute Gallensteine oder -grieß sind, muss die Einnahme in solchen Fällen deshalb unbedingt mit der behandelnden Ärztin oder einem fachkundigen Arzt besprochen werden. Bei bekannter Allergie gegen Korbblüter ist die Artischocke leider ebenfalls tabu.