Mädesüß: Die Namensgeberin des Aspirin

Mädesüß

Mädesüß – Filipendula ulmaria
Foto: Bild von Gabriela Fink auf Pixabay

Zwischen Juni und August überzieht in Mitteleuropa ein gut brusthoher, cremeweißer und herrlich duftender Blütenteppich ganze Wiesen, Flussufer und Waldränder. Traditionell rieben Imker neue Bienenstöcke mit den intensiv honigmandelsüßen Blüten aus, um neuen Völkern den Erstbezug so angenehm wie möglich zu machen.

Vor allem aber hat die Pflanze, von der wir hier reden, in der Heilkunde Großes geleistet: Ohne das Mädesüß – auch als Geißbart, Krampfkraut oder Wiesenkönigin bekannt – gäbe es heute kein Aspirin! Tatsächlich steckt in dem berühmten Markenprodukt mehr als nur ein Wirkstoff, der auch im Mädesüß vorkommt. Nein, sogar der Produktname ehrt seine „Patin“ ausdrücklich.

Nun fragen Sie sich, wie das sein kann, denn weder im deutschen noch im botanischen Namen Filipendula ulmaria finden sich entsprechende Hinweise. Die Auflösung liegt wie so oft in der Historie. Denn ursprünglich ordnete man das Mädesüß den Spiersträuchern zu, weshalb es botanisch als Spiraea ulmaria geführt wurde. Als dann in der Pflanze, ähnlich wie bei der Weide, Salicylate mit ihren fiebersenkenden, schmerzstillenden, schweiß- und harntreibenden sowie entzündungshemmenden Eigenschaften entdeckt wurden, witterte ein Pharmahersteller das Geschäft seines Lebens. 1897 synthetisierte der Apotheker Felix Hoffmann für seinen Arbeitgeber BAYER die wundertätige Salicylsäure und fügte ihr Acentanhydrid hinzu. Vermarktet wurde das Medikament unter dem mittlerweile weltberühmten Namen Aspirin. „A“ wie „Acetandrehyd“ plus „-spirin“ von „Spiraea“ … alles klar?

Grüne Kapsel mit BlattMit diesem Wissen im Hinterkopf weiß man sofort, gegen welche Beschwerden Mädesüß-Tee eine gute Idee ist: Fieber, Gliederschmerzen bei Erkältungen und grippale Infekte, leichte rheumatische oder muskuläre Schmerzen sowie Kopfweh. Berichtet wird ebenso von positiven Effekten bei Völlegefühl und Sodbrennen, weshalb man in Frankreich und Belgien zwischen fettreichen Speisegängen gern Mädesüß-Sorbet reicht. Die wirksamen Bestandteile sitzen in den (am besten noch knospig geschlossenen) Blüten, in geringerer Dosis auch in den Blättern, den knallroten Zweigen und den Wurzeln. Wenn bei Erkältungen die Schleimhäute entzündet sind, hat Mädesüß gegenüber synthetischem Aspirin neben der guten Verträglichkeit sogar einen weiteren Vorteil: Der darin enthaltene antioxidative Gerbstoff Ellagitannin zieht die Schleimhaut-Oberfläche zusammen, wodurch Krankheitserreger buchstäblich an Boden verlieren und Entzündungen schneller abheilen.

Wer an unreiner Haut mit Mitessern leidet, kann mehrmals wöchentlich Dampfbäder mit Mädesüß-Aufguss machen und/oder die Haut damit abtupfen. Die aufsteigende Salicylsäure löst Verhornungen an verstopften Poren, überschüssiger Talg und entzündlicher Eiter kann abfließen und die Haut klärt sich. Die Zugabe weiterer Kräuter wie beruhigender Kamille oder antibakteriellem Thymian verstärkt den Effekt nochmals.

ACHTUNG: Bei Mädesüß-Aufgüssen heißes, aber nie brodelnd kochendes Wasser verwenden! Kochen macht die Salicylsäureverbindungen unwirksam. Bei Überempfindlichkeit gegenüber Salicylsäure darf die Pflanze natürlich nicht verwendet werden. In der Schwangerschaft und bei diagnostiziertem Asthma fragen Sie bitte vorher Ihren Arzt.

SchaufelÜbrigens lohnt es sich, die schöne Pflanze im Garten anzusiedeln. Die „blühende Hausapotheke“ ist nämlich nicht nur eine Augen-, sondern auch eine veritable Bienen-und-andere-Insekten-Weide! Lassen Sie deshalb nach der Ernte den kleinen Bewohnern genug Zeit, sich davonzutrollen, bevor Sie die Blüten weiterverwenden. Zerreiben Sie bei dieser Gelegenheit mal eines der dunkelgrün gefiederten ulmenartigen (ulmaria!), rückseitig weiß beflaumten Blätter zwischen den Fingern und schnuppern Sie daran: Der Duft erinnert an Rheumasalbe oder Ähnliches; er ist deutlich „medizinisch“ und wird von manchen Menschen gar mit dem Geruch von Leukoplast in Verbindung gebracht.

Unser Extratipp:

Bei dem herrlichen Duft, den die Mädesüß-Blüten ausströmen, wäre es beinahe schändlich, sie nicht kulinarisch zu verwenden. Legen Sie doch mal ein Sträußchen Blüten über Nacht in flüssige Sahne, sieben Sie diese dann ab und servieren Sie sie leicht gesüßt als Nachspeise! Ähnliches gilt für Fruchtsäfte, Kompott, Gelees und Sirup; halten Sie sich bei Letzteren einfach an die Zubereitungsregeln für Holundersirup & Co. Wagemutige machen es den alten Germanen nach und starten einen Aromatisierungsversuch bei Bier oder Wein.