Heidelbeere: Das blaue Wunder für Augen und Darm

Heidelbeere – Vaccinium myrtillus

Wenn es um die Heidelbeere geht, haben Astrid-Lindgren-Fans wahrscheinlich schnell Michel, Madita und ihre Freunde vor Augen, wie sie mit kleinen Körbchen bewehrt „in die Beeren“ gehen. Und tatsächlich ist Schweden das Blaubeerland schlechthin. So omnipräsent ist die köstliche Kleinfrucht dort, dass es die traditionelle Blaubeersuppe mit dem entzückenden Namen BLÅBÄRSSOPPA sogar bei einem gewissen Möbelhaus im Tetrapak zu kaufen gibt!

Ihren deutschen Namen hat die Heidelbeere übrigens von einem ihrer Lieblingsstandorte – der Heide. In den feucht-sauren, ansonsten landwirtschaftlich unattraktiven Böden gedeiht der zähe Halbstrauch mindestens ebenso gut wie im Wald. Der zweite botanische Namensbestandteil myrtillus bezieht sich auf die eiförmige, am Rand zart gezähnte Blattform, die man z.B. auch von der Myrte kennt.

Grüne Kapsel mit BlattBezüglich ihrer medizinischer Verwendung verblüffen Heidelbeeren mit zwei Gesichtern. Denn während sie, frisch genascht, energisch den Stuhlgang anregen, stoppen sie in getrockneter Form selbst schwerste Durchfälle innerhalb kurzer Zeit. Verantwortlich dafür ist ein enormer Gehalt an zusammenziehenden Gerbstoffen sowie flüssigkeitsbindendem Pektin. Die Anwendung ist höchst simpel: Bei Durchfall werden mehrmals täglich einige getrocknete Beeren pur gekaut oder mit kochendem Wasser überbrüht und als Tee getrunken. Wegen seines angenehm fruchtigen Geschmacks ist dieser Tee ein unverzichtbares Hausmittel bei Kinderdurchfall – selbst schwere Diarrhö bei Typhus und Ruhr wird damit seit Menschengedenken erfolgreich behandelt! Getrocknete Heidelbeeren in Apotheken- oder Reformhausqualität gehören deshalb in jede Hausapotheke.   

Eine weitere Indikation für die Anwendung des Tees sind Zahnfleisch- und Halsentzündungen … und blutende Hämorrhoiden. Bei Ersteren wird gespült und gegurgelt, bei Letzteren kommt der Aufguss idealerweise sowohl innerlich als auch in Form von Einläufen zum Einsatz.

Die Volksmedizin kennt Spülungen mit frischem Heidelbeersaft zudem als gutes Mittel gegen Rauchermundgeruch. Noch besser: Angeblich erzeugt der Saft, über den Tag verteilt in kleinen Schlückchen getrunken, einen steigenden Widerwillen gegen Zigaretten. Einen Versuch ist es wert – als schlimmste „Nebenwirkung“ kann sich höchstens die Sehschärfe verbessern. Denn in Blaubeeren tummelt sich neben den schon genannten Gerbstoffen nicht nur reichlich Vitamin C und B, sondern vor allem beträchtliche Mengen von Anthocyanen. Diese tiefblau oder -rot gefärbten Pigmente aus der Gruppe der Flavonoide schützen Zellen wirksam vor Oxidation, etwa durch Freie Radikale. Ein vorbeugender Effekt gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist dadurch höchst wahrscheinlich, eine Schutzwirkung gegen Krebs wird diskutiert.

Besonders dankbar für eine Extraportion Anthocyane sind in jedem Fall die kleinen Blutgefäße der Augen. Gerade bei Nachtblindheit sowie müden, brennenden Augen (hallo Bildschirmarbeitende!) kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit anthocyanreichem Heidelbeerextrakt deshalb Linderung bringen.

Als altbewährtes Rezept (für Erwachsene!) sei abschließend noch Heidelbeerwein genannt, der z.B. bei chronischen Fäulnisdyspepsien des Darms, Appetitlosigkeit und Schwächezuständen durchaus täglich genossen werden kann. Dazu wird eine Handvoll getrockneter Heidelbeeren in 1 Liter trockenem Rotwein angesetzt, täglich geschüttelt und nicht abgeseiht. Frühestens nach einem Monat kann mit der Einnahme begonnen werden: Man trinkt zweimal täglich ein kleines Schnapsgläschen vor dem Essen.

Gut zu wissen:

Die durchgehend tiefblaue nordische Heidelbeere trumpft gegenüber ihrer hellfleischigen amerikanischen Zucht-Verwandten mächtig auf: Sie enthält neben satten Mengen Vitamin C bis zu fünfmal so viele Anthocyane! Dass hierzulande erhältliche Blaubeeren meist von der amerikanischen Sorte abstammen, sollte jedoch niemanden vom Verzehr in jeder nur denkbaren Form abhalten – sie sind trotz allem eine der gesündesten Obstsorten überhaupt. Trotzdem wäre es mal interessant zu untersuchen, ob Schwedinnen und Schweden allgemein gesündere Augen haben.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Heidelbeerblätter früher wegen ihres Glykosids Myrtillin (im Volksmund „pflanzliches Insulin“) erfolgreich zum Blutzuckerausgleich bei Diabetes eingesetzt wurden. Vom eigenmächtigen Gebrauch rät die moderne Phytotherapie jedoch ab, weil der ebenso vorhandene Stoff Arbutin bei längerem Gebrauch die Leber schädigt und standardisiertes Insulin ohnehin sicherer ist. Das Wissen um diesen Anwendungsbereich ging aber auch deshalb verloren, weil der Erntezeitpunkt der Blätter für ihre Wirkung ausschlaggebend ist: Nur vor der Blüte enthalten sie Myrtillin; sobald sich Blüten oder gar Früchte zeigen, ist es nicht mehr nachweisbar. Wer also Beeren und Blätter der Bequemlichkeit halber gleichzeitig erntet, darf keine antidiabetische Wirkung erwarten.

Extratipp:
Jeder kennt deren intensiven „Lila-Effekt“ wilder Heidelbeeren auf Zunge und Zähne. Aber wussten Sie, dass man mit dem Saft sogar Stoff wunderschön rosa-violett färben kann? Einfach Baumwoll- oder Leinenstoff in warmen Heidelbeersaft einlegen, einige Stunden darin lassen, mit klarem Wasser nachspülen und danach einige weitere Stunden zum Fixieren in Essigwasser legen. (Ewig hält diese natürliche Färbung selbst bei reiner Handwäsche freilich nicht – doch der Farbton ist wirklich zauberhaft.)