(Acker-)Schachtelhalm: Das „lebende Fossil“ für Gelenke, Blase, Haut und Haushalt

Treffen Sie im Wald, am Ackerrand oder am Flussufer auf Gruppen von sattgrünen, blütenlosen*, in ihrer quirligen Verzweigtheit an zarte Nadelbäumchen erinnernden Pflanzen, ist es fast sicher Schachtelhalm. Früher benutzte man das getrocknete Kraut wegen seines hohen Kieselsäuregehalts zum Polieren von Zinngeschirr – daher die ebenso bekannten Volksnamen Zinnkraut, Kannenkraut, Reibwisch und Scheuergras. Noch heute glätten manche Klarinetten- oder Saxophonspieler*innen die dünnen Holzblättchen im Mundstück des Instruments mit Zinnkrautsprossen. Im botanischen Namen Equisetum (lat. equus = Pferd, seta = Schweif) finden wir die landläufige Bezeichnung Pferdeschwanz wieder. Und auch woher der Name Schachtelhalm stammt, leuchtet unmittelbar ein: Die vielen länglichen Abschnitte sind wie gerippte, dünne Trinkhalm-Stücke mit zackigen Rändern ineinander geschachtelt. Man kann sie mühelos in ihre Einzelteile zerzupfen und den Stengel sogar wieder zusammenstecken, was vor allem gelangweilten Kindern auf Wanderungen Spaß bereitet!

Außerdem sieht man an einem derart aufs Wesentliche reduzierten Stengel-Rest am sichersten den Unterschied zwischen harmlosem Acker- und hochgiftigem Sumpfschachtelhalm: Beim Ackerschachtelhalm sind die untersten vom Stengel abstehenden Seitenast-Fragmente länger als das mittige Stengelglied. Giftige Sumpfschachtelhalme hingegen haben im Vergleich zu den „Ärmchen“ längere Stengelglieder.
Vom Selbersammeln ist trotzdem pauschal abzuraten, denn viele wild wachsende Schachtelhalmbestände sind von einem giftigen Pilz befallen. In Ihrer Apotheke erhalten Sie den Tee sowie mehrere zinnkrauthaltige Fertigprodukte aus kontrolliertem, sicherem Anbau.

Der bereits genannte hohe Gehalt an stabilisierender Kieselsäure mag ein Grund dafür sein, warum diese Pflanze als „lebendes Fossil“ seit 400 Jahrmillionen überlebt und dabei lediglich ihre Größe verringert hat. Nun gut, die Veränderung ist deutlich – von etwa 30 Metern auf 50 Zentimeter. Doch die Grundstruktur ist gleich geblieben und Schachtelhalm damit einer der ältesten noch lebenden Zeitzeugen unserer Erde.

Grüne Kapsel mit BlattNun aber zu den Heilwirkungen unseres für sein Alter noch recht rüstigen Helden. Bereits im Altertum wurde Schachtelhalm für seine harntreibenden und blutstillenden Effekte geschätzt, auch wenn Plinius (ca. 23–79 n.Chr.) mit der Behauptung, bereits das Berühren der Pflanze ließe Blutungen versiegen, haushoch übertrieb.
Danach geriet Zinnkraut als Heilmittel lange in Vergessenheit, bis der Naturarzt und Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) ihm wieder zu Bedeutung verhalf; neben entzündlichen Blaseninfekten und Nierengrieß setzte er den Tee sogar erfolgreich gegen Lungentuberkulose ein. Die harntreibende Wirkung macht man sich in der modernen Phytotherapie weiterhin zur Durchspülungstherapie zunutze – hier meist in Kombination mit weiteren „Blasenpflanzen“ wie Goldrute, Birke oder Brennnessel.
Kräuterfrau Maria Treben (1907–1991) unterschreibt all diese Indikationen und empfiehlt starken Zinnkrautsud zusätzlich für Waschungen und Auflagen bei schlecht heilenden Wunden, Ekzemen und Nagelbettentzündung, als Sitzbad bei Hämorrhoiden, Nierenbeckenentzündung und vaginalem Ausfluss sowie als Vollbad bei Bandscheibenschäden und arthrotischen Gelenkbeschwerden. Tee aus Ackerschachtelhalm soll man laut diesen alten Kräuter-Weisen häufig bei Arteriosklerose, Gicht, Rheuma und Neigung zu Magengeschwüren trinken.

Viele Anwender*innen beobachten bei längerer Nutzung von Schachtelhalm-Präparaten erstaunt, dass sich nach einigen Wochen die Spannkraft der Haut, die Festigkeit der Nägel sowie das Haarwachstum verbessern. Kein Wunder: Bereitet man den Tee korrekt zu (15 Minuten auskochen!), wird die darin reichlich enthaltene Kieselsäure für den Körper verwertbar und kann dort ihre aufbauenden, gewebestärkenden Talente entfalten. Natürlich kann man das getrocknete Kraut auch feinst pulverisieren und über längere Zeit teelöffelweise einnehmen.
Neben wasserlöslicher Kieselsäure findet man in Schachtelhalm wertvolle Flavonoide, Gerbstoffe, Harze, verschiedene Kaffeesäurederivate sowie Mineralstoffe und Spurenelemente.

ACHTUNG: Wie alle wassertreibenden Mittel ist Ackerschachtelhalm bei Ödemen infolge krankhaft eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt zu verwenden! In der Schwangerschaft sollte die Pflanze wegen potenziellen „Vitamin-B1-Raubs“ lieber nicht länger als wenige Tage eingenommen werden.

WUSSTEN SIE SCHON …?

*Statt einer Blüte bildet Zinnkraut im Frühjahr noch vor den grünen Laubtrieben einen bleichen, weichen, etwa 20 cm hohen sogenannten Sporangientrieb, der in manchen Ländern als Frühlingsgemüse verzehrt wird. In seinem torpedoförmigen Köpfchen reifen zahlreiche Sporen heran, die mit dem Wind oder Insekten verbreitet werden. Erst danach erscheinen die bekannten grünen Wedel, die durch ihre hartnäckige Unausrottbarkeit bei Gärtner*innen äußerst unbeliebt sind. Statt Kummerspeck sollten sie aber lieber eine Schachtelhalm-Jauche ansetzen! Sie ist durch ihre gelösten Pflanzennährstoffe ein fantastischer Dünger und Pflanzenschutz, dem man seinen strengen Geruch gern nachsieht. Dazu einfach 1kg frisches oder 200g getrocknetes Schachtelhalmkraut zerkleinert in ein großes Kunststoff- oder Holzgefäß geben, mit Regenwasser bis eine Handbreit unter den Rand auffüllen, maximal mit einem Tuch oder Gitter verschließen und unter täglichem Umrühren mehrere Wochen gären lassen. Sobald keine müffelnden Bläschen mehr aufsteigen, ist die Zinnkrautjauche fertig und kann im Verhältnis 1:10 alle paar Wochen dem Gießwasser zugegeben werden.