Senf: Der Scharfmacher, der Krankheitserregern einheizt

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Wiener Würstchen, Rouladen, manche Sauce und feine Vinaigrette kämen ohne Senf ganz schön langweilig daher – das hätten schon die alten Römer bestätigt, die ihn obendrein als Scharfmacher in erotischer Hinsicht nutzten. Darüber, dass er aus der Küche nicht wegzudenken ist, besteht also kein Diskussionsbedarf. Nicht umsonst sagt man zu ungebetenen Meinungen noch heute, „seinen Senf dazugeben“. Die Redewendung stammt aus dem 17. Jahrhundert, in dem sich nur Reiche das begehrte Gewürz leisten konnten. Manche Wirte nutzten den Hype um die scharfe Paste zur Aufwertung minderwertiger Gerichte: Sie gaben fast überall eine kleine Menge „Senf dazu“ … ob der Gast das nun wollte oder nicht. Aus der Tatsache, dass Senf leider nun wahrhaftig nicht zu allem passt, entstand das oben genannte Sprichwort.

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Aber war Ihnen klar, dass Senfmehl durchaus auch ein Plätzchen im Medizinschrank verdient hätte? Tatsächlich sind die Samen des gelb blühenden Kohl-Verwandten dank der reichlich enthaltenen Senfölglykoside mächtige Verbündete bei einer Vielzahl von Beschwerden, z.B. Gelenkschmerzen, Bronchitis, Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen sowie Brustfell- oder Blasenentzündungen. Hauptsächlich greift die Naturheilkunde hier zu den Samen des schwarzen Senfs Brassica nigra (oder Sinapis nigra), der auch Grundlage der meisten Speisesenfsorten ist. Auch weißer Senf (Sinapis alba) und sogar der allgegenwärtige Ackersenf (Sinapis arvensis) eignen sich, wirken jedoch weitaus weniger stark. Junge Blätter und Blüten sind eine kulinarische Entdeckung auf Butterbrot, in Suppen und Kräuterquark.

Wer sich die antibakteriellen, verdauungsfördernden und magendurchwärmenden Effekte von Senf zunutze machen möchte, kocht regelmäßig die angemörserten Körner mit, gibt sie fein pulverisiert kalten Gerichten bei oder bedient sich aus der klassischen Senftube. Jedes Gericht wird auf diese Weise besser verdaulich und zum „pflanzlichen Antibiotikum“. Patienten mit Nierenschäden oder Magengeschwüren sollten Senf innerlich nur sparsam verwenden.

Bei rheumatischen Gelenkschmerzen, Nervenschmerzen (Neuralgien), Bronchitis, Lungen- oder Blasenentzündung findet Senf Anwendung als lokaler Wickel oder Breiauflage an der schmerzenden Stelle (sogenanntes Kataplasma). Die medizinische Wirkung erklärt sich jeweils durch die schnelle, heftige und tiefe Mehrdurchblutung von Haut und darunter liegenden Partien. Das wiederum resultiert in einer deutlichen Anregung des lokalen Stoffwechsels und einem schnelleren Abtransport von Entzündungsstoffen über den

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Blutkreislauf.

Für einen Senfwickel verrührt man mehrere Esslöffel möglichst frisch gemahlener Senfsamen mit warmem Wasser zu einem streichfähigen Brei. Diesen gibt man messerrückendick auf ein Tuch, das mit einem Verband an Ort und Stelle fixiert wird und dort für 10 bis 15 Minuten verbleibt. Das Brennen sollte spürbar, aber ohne Zähnezusammenbeißen auszuhalten sein! Danach Reste mit reichlich lauwarmem Wasser abwaschen und die Haut mit einem guten Öl nachbehandeln.

Wichtig: Das Wasser darf niemals zu heiß zum Senfmehl gegeben werden, weil Temperaturen über 45 Grad die für eine Abspaltung der flüchtigen Senföle zuständigen Enzyme inaktivieren. Und bitte keine falsche Tapferkeit – längere Einwirkzeiten können mit etwas Pech zu bösen Hautverbrennungen führen! Deshalb vermischt man etwa bei älteren Kindern oder empfindlichen Personen das Senfmehl 1:1 mit Roggenmehl und verkürzt die Einwirkdauer.

Bei Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) und hämmernden Kopfschmerzen legt man den Wickel an die Waden an, um eine Ableitung der Blutfülle bei gleichzeitiger Entzündungshemmung zu erreichen. Warme Fußbäder mit Senfmehl-Beigabe können ähnlich erleichtern, vor allem bei gleichzeitiger Auflage

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eines Kühlpacks auf Stirn oder Nacken. Sind die Nasennebenhöhlen verstopft, drücken Sie das in ein dünnes Tuch gewickelte Kühlpack leicht auf den oberen Nasenbereich (alternativ funktionieren eisgekühlte Metalllöffel). Es kann passieren, dass nach ein paar Minuten die zugeschwollenen Höhlen mit einem hörbaren Knall aufgehen und das gestaute Sekret schwallartig aus der Nase fließt; halten Sie deshalb Taschentücher bereit!

Eine Erkältung schleicht sich an? Dann schnell ein Senf-Fußbad (mit mehreren Esslöffeln Senfmehl oder zur Not scharfem Speisesenf aus der Tube oder dem Glas) machen! Beginnen Sie handwarm und gießen so lange minütlich einen Schwall heißes Wasser zu, bis es nicht mehr auszuhalten ist. Danach Füße sehr gut warm abspülen und ins Bett legen.

Vorsicht: Kinder unter 6 Jahre, Schwangere und schwer Nierenkranke dürfen Senfwickel und –fußbäder nicht verwenden.