Kümmel: der aromatische Magentröster

Kümmel - Carum carvi

Kümmel – Carum carvi

Bei Kümmel scheint es ein bisschen zu sein wie bei Lakritze: Entweder ist man ein Fan oder man verabscheut ihn. Ist Zweiteres der Fall, verpasst man leider eine ganze Menge Geschmack … und geballte Heilkraft. Kein heimisches Gewürz macht Kohl, Brot und zwiebellastige Gerichte bekömmlicher und ist so bekannt für seine starke Wirkung gegen Blähungen wie Kümmel.

Das wussten offenbar schon die Pharaonen und sogar unsere europäischen Vorfahren – oder sie waren einfach Feinschmecker. Jedenfalls fand man sowohl in ägyptischen Grabkammern als auch in Pfahlbauten aus der Stein- und Bronzezeit Kümmelsamen, was beweist, dass das Gewürz bereits vor 5.000 Jahren benutzt wurde. Spätestens ab dem populären Kochbuch „De re coquinaria“ von Apicius aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. hielt der Kümmel Einzug in die Küchen der Welt. Das war sicherlich eine gute Idee, denn die dekadenten, oft fetttriefenden Menüs auf königlichen Banketten wären den Gästen sonst wie Blei im Magen gelegen. Seine Aufnahme in die Landgüterverordnung „Capitulare de villis“ von Karl dem Großen (748–814 n. Chr.) adelte den Kümmel dann vollends, denn hierhin schafften es nur die 73 wichtigsten Heilpflanzen, deren Anbau per Kaiserdekret angeordnet wurde.

Erst 2016 kam eine weitere Auszeichnung dazu: „Arzneipflanze des Jahres“. Uns ist völlig unverständlich, wie das so lange dauern konnte. Schließlich verschafft der zweijährige Doldenblütler als Carminativum seit Jahrhunderten in Form von Bäuchlein-Massageöl oder Tee – dann meist in Begleitung Grüne Kapsel mit Blattder Kollegen Anis und Fenchel – kolikgeplagten Babys Erleichterung und den Eltern entsprechend ruhige Nächte. Außerdem bringt er nach der Geburt als Galaktogogum den Milchfluss in Gang, bekämpft nebenbei schlechten Atem und erleichtert das Abhusten von festsitzendem Schleim. Gerät beim so genannten Roemheld-Syndrom das Herz vor lauter Bläh-Luft im Bauchraum in Bedrängnis, helfen Kümmelpräparate ebenfalls zuverlässig. Bei Migräne lohnt ein Versuch mit feuchtwarmen Kümmel-Säckchen auf der schmerzenden Stirn. Mindestens zwei weltberühmte Magenschnäpse, nämlich Aquavit und Danziger Goldwasser, wären ohne ihn gar nicht existent. Eine Studie aus dem Jahr 2011 legt eine gute Vorbeugungswirkung gegen Darmkrebs nahe. Ja, Kümmel hat als echter Promi unter den Heilkräutern sogar zwei artspezifische Schädlinge!*
Warum also musste der wundertätige Samen so lange auf die hochverdiente Auszeichnung warten?

Sie sehen, Kümmel sollte in keiner Küche und in keinem Teeregal fehlen. Wer einen Garten hat, kann die hübsche Pflanze in Beete oder Töpfe aussäen, alle zwei Jahre ab Juli büschelweise abschneiden und aufhängen und die getrockneten Früchte dann ausschütteln. Vorher schmecken die zarten grünen Fiederblättchen gut in Kartoffelsalat, auf Bratkartoffeln oder im Kräuterquark.

Sie mögen aber einfach keinen Kümmel, und zwar schon seit Kindesbeinen? Dann sollten Sie ihm vielleicht, nachdem Sie jetzt um seine eindrucksvollen Fähigkeiten wissen, noch einmal eine Chance geben. Na, wie wär’s?

*Wen’s interessiert: Die Groupies heißen Kümmelgallmilbe und Kümmelmotte.