Karotte: Die Wurzel der Gesundheit für Haut, Augen und Magen

Karotte – Daucus carota

Ähnlich wie Kartoffel, Zwiebel und Knoblauch verortet man auch die Karotte eher im Kochtopf oder Babygläschen als im Medizinschrank. Dass sie neben einer Fülle wertvoller Nährstoffe recht beachtliche Heilkräfte besitzt, ist kaum bekannt.

Unternehmen wir jedoch vorab einen kleinen Ausflug in die Etymologie: Der lateinische Begriff carota etwa bedeutet „gebrannt“ und bezieht sich auf die feuerrote Farbe der ersten Karotten-Zuchtformen. Germanische Völker nannten Wildmöhren – die zwar genießbar, aber nicht halb so schmack- und nahrhaft sind wie spätere Formen – auf Althochdeutsch schlicht morha: „Wurzel“. Heute isst man im süddeutschen Sprachraum Mohrrüben oder Gelbe Rüben (wobei Letzteres in Bayern wie ein zusammenhängendes Wort mit Betonung auf der ersten Silbe behandelt wird). Richtung Norden kommen eher Möhren bzw. Karotten, in der Schweiz Rüebli auf den Teller.

Bis das kräftig orangefarbene, saftig-süße Wurzelgemüse seinen Siegeszug durch die Küchen der ganzen Welt antreten konnte, verging jedoch viel Zeit, in der man es fast nur als Arznei einsetzte. So legte man etwa einen Brei aus fein geraspelten Möhren auf (Brand-)Wunden oder versuchte unerwünschten Kindersegen durch die Einnahme und lokale Applikation von Möhrensamen zu verhindern.

Findige Menschen erkannten das nahrhafte Potenzial der blässlich-holzigen Mutterform* und züchteten daraus durch vielfache Selektion und Kreuzung die uns bekannte Karotte. Erst seit sie nicht nur an Masse, sondern auch an orangeroter Farbe gewonnen hat, punktet sie übrigens mit ihrem wohl bekanntesten Inhaltsstoff: Carotin (auch Provitamin A genannt). Aus ihm bildet der Körper in Verbindung mit Fett lebenswichtiges Vitamin A, welches antioxidative und zellschützende Wirkungen besitzt. Die Augen danken eine gute Vitamin-A-Versorgung mit scharfer Sicht, und die Haut wird deutlich widerstandsfähiger gegen schädliche UV-Strahlung, wenn die Nahrung ausreichend Carotin bzw. Vitamin A enthält. Man denke nur an die gesunde typische Gesichtsfarbe von Babys, die mit Karottenbrei gefüttert werden! Wer im Vorfeld eines Sommerurlaubs viele Karottengerichte oder Karottensaft zu sich nimmt, wird feststellen, dass ein etwas niedrigerer Lichtschutzfaktor als sonst ausreicht und die Haut schneller und tiefer bräunt.

Wichtig: Die Einnahme von sogenannten Protonenpumpenhemmern gegen überschüssige Magensäure kann die Resorption von Carotinoiden hemmen, weil dafür ein gewisser Säuregehalt notwendig ist. Wer Sodbrennen stattdessen mit Karottensaft (und eventuell dem gründlichen Kauen einiger ungeschälter Mandeln) begegnet, profitiert also doppelt: Das unangenehme saure Aufstoßen wird gelindert und der Darm kann die wertvollen Karottenstoffe vollständig verwerten.

Grüne Kapsel mit BlattErwähnenswert sind neben diesem Nährstoff, der die Karotte sogar im Namen trägt, ihr Gehalt an Vitamin C, B-Vitaminen, Kalium, Eisen, Pektin, den Carotinioden Lycopin und Zeaxanthin sowie ätherischen Ölen. Die verschiedenen Heilwirkungen von Mohrrüben sind direkt auf diese Inhaltsstoffe zurückzuführen: Kalium entwässert das Gewebe, Pektin wirkt leicht stopfend, Lycopin und Zeaxanthin schützen vor Augenerkrankungen wie z.B. altersbedingter Makula-Degeneration und die ätherischen Öle machen schädlichen Darmbakterien das Leben schwer. In Kombination ergeben sie eine gemüsegewordene Hausapotheke bei vielen Magen- und Darmbeschwerden wie Durchfall, Magen-Darm-Infekten oder Magenschleimhautentzündung.

Ein Hausrezept, das neben Patienten mit chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn vor allem Eltern unbedingt kennen sollten, ist die Moro’sche Karottensuppe. Mit ihr können selbst schwere Durchfallerkrankungen innerhalb kürzester Zeit ausheilen. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem die Kindersterblichkeit „dank“ zehrender Durchfallerkrankungen wie Typhus oder Ruhr extrem hoch war, von dem deutschen Kinderarzt Ernst Moro entwickelt. Heute wissen wir: Das Geheimnis des ebenso einfachen wie genialen Rezepts sind spezielle Kohlenhydrate namens Oligogalacturonsäuren, die bei Karotten (und Äpfeln) erst durch Reiben oder langes Kochen entstehen. Im Darm besetzen diese genau jene Rezeptoren an der Darmwand, an denen gern die schadbringenden Bakterien andocken würden. So aber finden diese keinen Platz zur Produktion krankmachender Giftstoffe und werden unverrichteter Dinge mit dem Kot einfach ausgeschieden. Dass nebenbei auch gleich der lebenswichtige Elektrolythaushalt zurück ins Lot kommt, ist eine willkommene Nebenwirkung dieser wunderbaren Heilsuppe. Sie wird im Akutfall mehrmals täglich in kleinen Portionen gelöffelt. Babys füttert man die Suppe mit dem Löffel oder gibt sie, etwas verdünnt, ins Fläschchen. Studien belegen, dass die Moro’sche Karottensuppe bei akuten Magen-Darm-Infektionen von Kindern besser wirkt als fertige bilanzierte Glukose-Elektrolyt-Lösungen – und in den meisten Fällen klare Vorteile gegenüber z.B. einer darmkeimwidrigen Antibiotikabehandlung bringt.  Sogar Haustiere mit Durchfall reagieren positiv auf diese besondere Suppe; für sie gibt man nach der ersten halben Kochstunde noch etwas mageres Hühnerfleisch hinzu und püriert dieses mit.

Rezept Moro’sche Karottensuppe:

500 g geschälte oder abgeschabte, nicht zu klein geschnittene Karotten in 1 Liter Wasser mindestens 1 Stunde lang kochen. Pürieren oder durch ein Sieb streichen, dann mit Wasser wieder auf die ursprüngliche Menge von 1 Liter auffüllen. Am Schluss einen gestrichenen Teelöffel Salz (3 g) einrühren. Keine weiteren Gewürze zugeben!

Erwähnenswert ist auch die traditionelle Möhrenkur zur Vertreibung von Darmparasiten wie z.B. Oxyuren (Madenwürmer), bei der die ätherischen Öle der Möhre die Arbeit übernehmen. Hierzu trinkt der wurmgeplagte Mensch täglich bereits auf nüchternen Magen das erste Glas Karottensaft (im Laufe des Tages noch 1 bis 2 weitere) und isst tagsüber recht viele rohe Karotten. Idealerweise werden dazu noch Kürbiskerne geknabbert, die ebenfalls wurmtreibend wirken.

Übrigens: Werfen Sie das chlorophyllreiche, aromatische Karottengrün nicht weg! Aus ihm kann man, gemischt mit weiteren Wildkräutern, eine Art leckeren Spinat kochen oder mit Nüssen, Parmesan und Olivenöl ein raffiniertes Pesto mixen.

*Gemeint ist die überall in Wiesen wachsende Wilde Möhre (Daucus carota subsp. carota), die in phytotherapeutischen Kreisen ein ganz eigenes Wirkprofil hat. Ihre winzigen weißen Doldenblütchen umgeben eine einzelne, mittig sitzende schwarzviolette „Mohrenblüte“. Zur Fruchtreife rollen sich die Doldenstrahlen nestförmig nach innen – eine wunderschöne, außergewöhnliche Verpackung für kleine Geschenke wie z.B. ein Schmuckstück!