Blutwurz/Tormentille: Die (sch)mächtige Gerbstoffknolle

Von User:TigerenteEigenes Werk, CC BY 2.5, Link

Betrachtet man das bescheiden am Boden entlangwachsende Blutwurz-Pflänzchen mit den gefingerten Blättern und den nur halbzentimetergroßen sonnengelben Blüten, fragt man sich: Warum nur haben unsere Ahnen es wohl ausgerechnet potentilla (lat. potentia = die Macht) genannt? Und wo, bitteschön, soll es bei all dieser augenscheinlichen Harmlosigkeit blutig hergehen?

Die Antwort findet sich, wie auch beim Beinwell, unter der Erde. Denn schneidet man das knollig verdickte Blutwurz-Rhizom durch, laufen die zunächst cremeweißen Schnittstellen binnen weniger Minuten blutrot an. Diese Farbe, das sogenannte Tormentillrot, ist gleichzeitig einer der Hauptwirkstoffe. Er geht auch in alkoholische Ansätze über, die z.B. als Basis für manche Magentränke wie den berühmten Schwedenbitter dienen. Womit wir direkt bei einem der zwei Haupt-Einsatzgebiete der Blutwurz wären, die man vielerorts auch Tormentille nennt. „Moment“, sagt der Lateiner, „Tormentille? Heißt tormina nicht so viel wie Kolik und tormentum gar Folter?“

Genau so ist es, und genau dieses schmerzhafte Leiden vermag die Blutwurz als Tee oder Tinktur zu lindern, vor allem wenn es mit unspezifischem Durchfall einhergeht. Dafür verantwortlich ist neben entzündungshemmenden Flavonoiden, Harzen, Terpenen und ätherischen Ölen ein rekordverdächtiger Gehalt an zusammenziehenden Gerbstoffen. In einer Zeit, in der Menschen noch reihenweise an Ruhr oder Typhus starben, war solches Pflanzenwissen ein Segen. Es hatte schon einen Grund, dass bereits Hippokrates (ca. 460–370 v.Chr.) und später Hildegard von Bingen (1098–1179) Blutwurz-Tee und -pulver gegen zehrende Durchfälle verordneten: Die Droge wirkte schnell und langanhaltend, war wegen der weiten Verbreitung der Pflanze leicht zu beschaffen und rettete deshalb unzählige Leben. „Esst Tormentill und Bibernell, dann sterbt ihr nit so schnell!“ war unter Heilkundigen ein kluger Rat.

Grüne Kapsel mit BlattHeutzutage sollte man eigentlich nicht mehr ohne ein Fläschchen Blutwurz-Tinktur oder -likör auf Fernreisen gehen – gerade die typischen Reisedurchfälle mit oder ohne Erbrechen sprechen sehr gut darauf an.
Abwechselnd mit Hirtentäschel-Tee getrunken, kann Blutwurz-Tee zudem Abhilfe bei übermäßigen Regelblutungen schaffen. Einen Versuch ist es wert!

Und auch Entzündungen von Zahnfleisch (Parodontose), Rachen und Mundschleimhaut sowie durch Zahnprothesen verursachte Druckstellen profitieren von Spülungen oder Pinselungen mit Blutwurz-Extrakt. Hier schlägt unsere kleine Heldin in Sachen Gerbstoffe sogar die im Dentalbereich viel bekanntere Rathaniawurzel.

ACHTUNG: Da innerlich angewendete Blutwurz die Schleimhäute von Magen und Darm zusammenzieht, kann sich die Aufnahme gleichzeitig verabreichter Medikamente verzögern. Lassen Sie deshalb immer ungefähr zwei Stunden verstreichen, bevor Sie andere Arzneien einnehmen! Die Anwendungsdauer sollte innerlich 4 Tage, äußerlich 3 Wochen nicht überschreiten. Gehen Sie außerdem bei Durchfällen, die länger als 3 Tage gar nicht auf die Eigenbehandlung reagieren, unbedingt zum Arzt.