Mutterkraut: Die Kamillenschwester mit „Köpfchen“

Wie eine kleine Schwester der Kamille kommt das Mutterkraut daher – und wird entsprechend oft verwechselt. Volksnamen wie Falsche Kamille oder Zierkamille weisen auf die Ähnlichkeiten hin. Dabei gibt es bei genauerem Hinsehen und Hinriechen große Unterschiede. Vor allem die gefiederten, hellgrünen, weichen Laubblätter ähneln beinahe denen des Schöllkrauts. Auch das Aroma der bis zu hüfthoch stehenden Pflanze und -blätter beim Zerreiben ist kräftig herb, ganz anders als der süßlich-weiche Kamillenduft. Und nicht zuletzt sind die aus gelben Röhren- und weißen Zungenblüten bestehenden Blütenköpfchen mit ca. 15 bis 22 mm Durchmesser etwas kleiner.

VORSICHT:

Sehr viele Heilpflanzen werden volkstümlich u.a. als „Mutterkraut“ bezeichnet, darunter Kamille, Frauenmantel und Rainfarn. Auf Nummer sicher gehen Sie deshalb nur, wenn Sie auch den botanischen Namen gegenprüfen: Das hier beschriebene Mutterkraut heißt Tanacetum parthenium bzw. Chrysanthemum parthenium.

Grüne Kapsel mit BlattUrsprünglich kam das Mutterkraut aus dem östlichen Mittelmeerraum. Dort belegen Quellen sein Vorhandensein für so lange Zeit, dass es als sogenannter Archäophyt* gilt. Schon in den Schriften des Arztes und Pharmakologen Dioskurides im 1. Jh. n.Chr. wird Mutterkraut als Mittel gegen Fieber, Kopfweh, Darmparasiten, Geburtsschmerzen, ausbleibende Regelblutung und Menstruationskrämpfe genannt. Diese Verwendungszwecke hielten sich bis ins Mittelalter, wobei der Einsatz als Abtreibungsmittel (Abortivum) sowie zur Förderung der Wehen und Plazenta-Ablösung nach der Geburt dominierte. Der Kräuterkundige Nicholas Culpeper, auch „der englische Paracelsus“ genannt, fasste diese Indikation im 17. Jahrhundert zusammen: „Das Kraut gekocht in weißem Wein und getrunken, reinigt den Schoß, treibt die Nachgeburt aus und tut der Frau so wohl, als sie es von irgendeinem Kraut nur wünschen kann.“ Traditionell wuchs das obendrein noch dekorative Mutterkraut deshalb in Bauern- und Klostergärten, von wo aus es in die unkultivierte Umgebung verwilderte.

Heute schätzt man die robuste Korbblütlerin in der Phytotherapie weiterhin als Frauenkraut, etwa bei schmerzhafter oder zu geringer Regelblutung sowie bei Wechseljahresbeschwerden. Für die Forschung interessant ist sie aber vorrangig wegen ihres Potenzials zur Verminderung von Migräneanfällen. Um dies zu erreichen, reicht es allerdings nicht aus, hie und da eine Tasse Mutterkraut-Tee zu trinken. Um eine spürbare Wirkung zu erzielen, ist die Einnahme eines standardisierten Fertigpräparats über mehrere Wochen Voraussetzung. Wissenschaftlich belastbare Belege hierfür sind in Arbeit, doch erste Studien sind sehr vielversprechend.

Gut zu wissen: Wirksam sind beim Mutterkraut hauptsächlich die Laubblätter, weniger die Blüten! In den Blättern ist neben Bitterstoffen, ätherischen Ölen und Flavonoiden reichlich das Sesquiterpenlacton Parthenolid enthalten, das die Bildung von schmerzvermittelnden Prostaglandinen sowie die Freisetzung von Histamin hemmt und gleichzeitig den Serotoninspiegel im Blut ausbalanciert.

Ein weiteres Einsatzgebiet sind Verdauungsstörungen wie z.B. Völlegefühl, Blähungen und Aufstoßen. Hier machen die Bitterstoffe aus den fein gehackten Blüten und Blättern des Mutterkrauts als Tee oder aromatische Zutat für Salate, Kräuterquark und Brotaufstriche Mahlzeiten bekömmlicher. In England hat sich zudem eine der altertümlichen Anwendungen der Heilpflanze gehalten: Dort setzt man Zubereitungen aus Mutterkraut noch heute unterstützend (niemals allein!) gegen fieberhafte Erkrankungen ein, besonders aber bei Kindbettfieber. Der englische Name feverfew, also im übertragenen Sinne „Fieberverringerer“, zeugt von dieser Tradition.

Äußerlich lindert der Saft aus den frischen Blättern oder eine Tinktur aus Mutterkraut insektenstichbedingten Juckreiz. Manche Anwender*innen berichten außerdem, dass die verdünnte Tinktur freiliegende Hautpartien vor Insektenattacken schützt.

ACHTUNG:

In der Schwangerschaft sollen Präparate aus Mutterkraut keinesfalls verwendet werden, weil es vorzeitige Wehen auslösen kann! Nach der Geburt hilft es allerdings dabei, die Plazenta zügig und vollständig abzulösen. Bei bekannter Allergie gegen Korbblütler sollte man die Pflanze natürlich meiden. Bei hautempfindlichen Personen kann das Berühren außerdem zu Kontaktdermatitis führen, wie z.B. auch bei Schafgarbe.

*Als Archäophyten bezeichnet man in der Botanik Pflanzen, die vor Columbus‘ Amerika-Fahrt (also 1492) von Menschen gewollt oder unabsichtlich in fremde Regionen eingeführt wurden und die sich dort verbreitet haben. Pflanzen, mit denen dies nach 1492 geschah, nennt man Neophyten.