Weihrauch: Das göttliche Harz mit dem großen Entzündungsheiler-Potenzial

Wenn Sie an Weihrauch denken, haben Sie vermutlich sofort den unverwechselbaren Duft in der Nase und Kirchenmusik im Ohr. Kein Wunder: Bei katholischen Gottesdiensten ist Weihrauch nach wie vor sehr präsent. Die Verbrennung des aromatischen Harzes im Sinne eines Opfers soll Gott gnädig stimmen und das Gebet der Gläubigen zu ihm aufsteigen lassen – womit die moderne Kirche „heidnischen“ Kulten näher steht, als sie zugeben möchte.

Die alten Ägypter nannten die goldfarbenen Harzperlen „Schweiß der Götter“ und verwendeten sie bei zahlreichen Kulthandlungen. Durch die betörenden Rauchschwaden sollten z.B. die Mächte ungehaltener Verstorbener aufgehalten werden. Von dieser apotropäischen, also unheilbannenden Wirkung waren über die Jahrtausende auch weitere Religionen überzeugt.

Nicht immer bezog sich der Begriff Weihrauch bzw. Olibanum dabei botanisch exakt auf das Harz des Weihrauchbaums; in ähnlicher Weise verbrannte man andere geweihte aromatische Hölzer, Harze und Kräuter zu kultischen Zwecken. Die bekannteste Räuchermischung dürfte wohl kyphi gewesen sein – jene berauschende Mixtur, deren Rauch die Seelen Verstorbener in den Himmel tragen und die Lebenden leichtmütig machen sollte. Weihrauchharz spielt in fast allen überlieferten kyphi-Rezepten eine Hauptrolle.

Noch heute bezeichnet der Volksmund verschiedenste Pflanzen als Weihrauch, so etwa das Kraut der Haselwurz oder der Erdrauchpflanze. Etwas ganz Besonderes ist „Gemeiner Weihrauch“: kleine Fichtenharzklümpchen, die von Ameisen gesammelt werden und sich im Wohnhaufen durch Ameisensäure chemisch verändern.

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Der echte Weihrauchbaum Boswellia serrata wird nach wie vor nur in einem engen geografischen Gebiet angebaut, dem sogenannten Weihrauchgürtel. Er zieht sich von Indien über den Oman und Jemen bis Somalia, Äthiopien und Eritrea. So groß war die jahrtausendelange Bedeutung des Harzes, dass schon ab 1000 v. Chr. entlang der Weihrauch-Handelsroute ein florierender Kulturtransfer nach Südostasien und in die Mittelmeerregionen stattfand. Seinen Höhepunkt in der westlichen Welt erreichte der Handel zwischen 500 v. Chr. und 300 n. Chr. im antiken Rom; zeitweise wog man dort guten Weihrauch mit Gold auf.

Ebenso alt wie ihre kultische Verwendung ist der medizinische Einsatz der kostbaren Klümpchen. Dabei waren sich Ärzte und Heilerinnen über alle Epochen hinweg relativ einig über die Indikationen: Hautentzündung, Gelenkschwellungen, Atemwegserkrankungen, Magen- und Darmbeschwerden sowie psychische Instabilität wurden so erfolgreich damit behandelt, dass Weihrauch zur materia medica wurde – einem Allheilmittel. Weiter unten im Text werden Sie diesen Beschwerden nochmals begegnen, denn sie haben sich auf verblüffende Weise bestätigt.

Grüne Kapsel mit BlattDoch natürlich würde die heutige Medizin nicht alle damaligen Rezepturen gutheißen. So verordnete etwa das Circa instans, eines der wichtigsten mittelalterlichen Heilpflanzenwerke, gegen „Zahnweh als Folge eines Flusses der Körpersäfte vom Haupte herab“ ein Pflaster aus Weihrauchpulver, Weißwein und Eiklar auf die Schläfen. Die weibliche Empfängnisfähigkeit versuchte man mit warmen Auflagen aus mit Wein angerührtem Weihrauchpulver auf das Schambein der Frau zu fördern. Und „um Frauenbrüste klein und zierlich zu gestalten, macht man Weihrauchpulver mit Essig an, tunkt Laken darin und legt sie auf die Brüste“. Nun ja.

Seinen festen Platz in der weltweiten Heilkunde behielt Weihrauch bis ins 19. Jahrhundert hinein. Mit dem Aufkommen chemisch-synthetischer Medikamente geriet er dann in der westlichen Welt weitgehend in Vergessenheit, abgesehen von wenigen äußerlichen Anwendungen. Die ayurvedische und traditionelle chinesische Medizin waren da ausdauernder: Sie ließen sich von „fortschrittlichen“ Methoden nicht beirren und führen Weihrauch seit langer Zeit unverändert als Heilmittel für verschiedenste Beschwerden.

Zwei Deutsche waren es, die Mitte der 1980er Jahre das allgemeine medizinische Augenmerk wieder auf Weihrauch lenkten: der Pharmakologe Prof. Philipp Theodor Ammon von der Universität Tübingen und der bayerische Arzt Dr. Rainer Etzel. Dank ihnen wurden neue Studien unternommen, die zumindest ansatzweise die Wirkungsmechanismen von Weihrauch erklären. Seitdem sind zumindest seine interessantesten Inhaltsstoffe entschlüsselt: die reichlich enthaltenen Boswelliasäuren. Sie hemmen nachweislich bestimmte entzündungsverursachende Enzyme (Leukotriene) – hocheffektiv und fast immer ohne Nebenwirkungen.

Dieses Wirkstoffspektrum macht Weihrauch, meist in Kapselform, zu einem erfolgversprechenden adjuvanten Medikament bei Asthma, entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Rheuma, chronischer Polyarthritis, Lupus, Polyarthritis, Arthrose und Gicht. Mittlerweile werden sogar günstige Effekte auf Multiple Sklerose und bestimmte Krebsarten diskutiert.

Entzündliche Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis sprechen oft gut auf eine kombinierte innerliche und äußerliche (Salbe) Behandlung an.