Lärche: Der Ausnahme-Nadelbaum mit dem heilenden Harz

Wer in einem Wald auf Lärchen trifft, sieht sofort, dass sie anders sind als andere Nadelbäume. Statt wie bei Tannen, Fichten & Co. ganze Äste zu „be-igeln“, sprießen die erstaunlich weichen Lärchennadeln wie kleine, weit auseinander stehende Büschel aus Noppen am Ast. Im Herbst färben sie sich goldgelb und fallen dann ab – ein im Reich der Nadelbäume einmaliger Vorgang, für den die Forschung bis heute keine Erklärung hat.

Lärchen können vereinzelt über 500 Jahre alt sowie bis zu imposante 50 Meter hoch werden und überragen damit ihre Waldgenossinnen und -genossen um einiges. Dafür gibt es einen guten Grund: Als lichthungrige Gestalt strebt die Lärche in ihrer Jugend rasend schnell schlank empor und investiert erst bei Erreichen der Baumwipfelgrenze in Breitenwachstum. So stellt sie sicher, nach dem Winter die ersten Sonnenstrahlen zu erwischen. Diese locken dann binnen weniger Tage ein neues, frühlingsgrünes Nadelkleid aus den bis dahin abgestorben wirkenden Noppen hervor. Der Spätsommer schließlich gehört den Blüten: kleine purpurrote Zapfen sind weibliche, schwefelgelbe, staubige Kugeln männliche Blütenstände.

Lärchen im Herbst

Aus jungen Lärchennadeln kann man zwar durchaus einen aromatischen, wohltuenden Tee zubereiten und der aus Lärchenholz isolierte, nicht proteingebundene Mehrfachzucker Arabinogalactan ist ein vielversprechendes Präbiotikum, das nützliche Darmbakterien fördert. Doch der eigentliche medizinische Superstar der Lärche ist ihr honigzähes, balsamisch duftendes Harz, das man in seiner frischen Form korrekterweise Lärchenterpentin oder Lärchenpech nennt. Gewonnen wird es von sogenannten „Pechern“ durch möglichst schonendes bodennahes Anbohren der Stämme. Die Bohrung wird mit einem Zapfen verschlossen, füllt sich langsam mit dem austretenden Terpentin und kann im Herbst entleert werden.

Frisches Lärchenterpentin besteht aus ca. 8 Prozent Wasser, etwa 15 Prozent ätherischen Ölen und bis zu 18 Prozent flüchtigem Terpentinöl, das Künstler*innen nach wie vor als Farbverdünner nutzen. Der Rest ist Kolophonium – jene bernsteinfarbene, Masse, mit der noch heute Violinbögen „geharzt“ werden. Erst wenn die flüchtigen Stoffe verflogen sind, spricht man tatsächlich von Harz, das im Falle der Lärche jedoch nicht bröckelig wird, sondern stets flüssig bleibt. Durch die Destillation des frischen Terpentinbalsams können Terpentinöl, Kolophonium und ätherische Öle getrennt werden.

Lärchenterpentin (lat. Terebinthina laricina) wird bereits bei Dioskurides und Plinius als Medizin bei Katarrhen sowie zur Reinigung der Atemwege erwähnt. Hauptsächlich wurde es verräuchert, seltener mit Honig vermengt eingenommen, z.B. gegen Blasenleiden und Wurmbefall.  Schon früh gehörte es wegen seiner stark antibakteriellen, pilzfeindlichen und antiparasitären Wirkung zu den begehrtesten Heilmitteln überhaupt. Da es zwar hauptsächlich in den Südtiroler Alpen gewonnen, jedoch über Venedig verschifft wurde, nannte man es „Venezianisches Terpentin“. Für die äußerliche Anwendung verarbeitete man es, in Öl oder Grüne Kapsel mit BlattFett gelöst, zu Salben, die sich gegen jede Art von eitrigen Hautentzündungen und schlecht heilenden Wunden bewährten.

Einen hohen Stellenwert hat der Alkohol-Glycerin-Extrakt aus jungen Lärchen-Triebspitzen und Knospen („Gemmomazerat Larix decidua“) in der so genannten Gemmotherapie. Hier wird das Mazerat als Mundspray zur unterstützenden – niemals alleinigen! – Behandlung von gefäßbedingten Alterskrankheiten wie kapillaren Durchblutungsstörungen, Makuladegeneration, Impotenz, Tinnitus oder nachlassender Konzentrationsfähigkeit eingesetzt. Manche Patient*innen wenden es außerdem erfolgreich begleitend bei Schuppenflechte (Psoriasis) an. In der Bachblütentherapie soll Larch Menschen auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein helfen.

Der hohe Harzgehalt verleiht dem harten, gut zu verarbeitenden Lärchenholz seine ungewöhnlich gute Fäulnis- und Witterungsbeständigkeit. Deshalb werden traditionell Schiffe, Terrassenbeläge, Dachschindeln, Schaukel- und Klettergerüste, tragende Konstruktionen und Gartenmöbel aus Lärchenholz gefertigt. Und das ist noch nicht alles: Lärchen gedeihen auf verschiedensten Untergründen und selbst in unwirtlichem Klima. Sie vertragen Fröste, extreme Hitze und Trockenperioden besser als andere Nadelbäume, besiedeln mit Vorliebe kahle Flächen, wachsen schnell und sind wenig anfällig für Schädlinge oder Krankheiten. Die Gesamtheit dieser Eigenschaften macht unsere harzige Heldin zu einem echten Baum der Zukunft!