Schlehe: Das dornig-herbe Kraftpaket

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Eigentlich ist „die Schlehe“, wie wir einen der häufigsten Heckensträucher nennen, nur die Frucht desselben. Der korrekte Name des mörderisch stachelbewehrten Gewächses lautet Schlehdorn – ein naher Verwandter der Pflaume, was man am botanischen Bezeichung prunus (= lat. „Pflaume“) erkennt. Auch der zweite Namensbestandteil spricht Bände: spinosa heißt auf Latein „stachelig“. Unser deutscher Name der Pflanze stammt vom indogermanischen Wort sli ab, was „bläulich“ bedeutet. Sie kennen diese Silbe sicher vom Pflaumenschnaps Slivovitz.

Am meisten bekannt sind Schlehenfrüchte vermutlich in Form von Wein, Schnaps oder Likör. Und hier kommt eine tolle Nachricht: Wenn Sie sich hie und da ein Gläschen von diesen köstlich-fruchtigen Spirituosen genehmigen, tun Sie Ihrer Gesundheit durchaus Gutes! Denn die haselnussgroßen, tiefblau bis fast schwarzen Steinfrüchte enthalten relevante Mengen an immunförderlichen Flavonoiden, Vitamin C, gefäßaktives Rutin sowie Gerbstoffe. Letztere wirken adstringierend auf die Schleimhäute, d.h. sie verkleinern und „versiegeln“ deren Oberfläche derart, dass Krankheitserreger Grüne Kapsel mit Blattdarauf keinen Platz mehr zur Vermehrung finden. Gleichzeitig binden Gerbstoffe an Oberflächenproteinen von Mikroorganismen, wodurch diese inaktiviert werden. Hildegard von Bingen (1098–1179) wusste um all diese Heilwirkungen – natürlich ohne sie mikrobiologisch erklären zu können – und empfahl zusätzlich gebratene Schlehenfrüchte gegen schwachen Magen. Doch sie war weitaus nicht die erste Schlehenfreundin: Bereits Steinzeitmann Ötzi trug getrocknete Schlehenfrüchte bei sich. Als Provient? Als Reiseapotheke? Wir wissen es nicht.

Heute kann, wer sich dornenbedingt nicht selbst an die Ernte wagt, problemlos auf die konzentrierte Schlehenkraft in Form eines Elixiers zurückgreifen oder getrocknete Früchte kaufen. Geschmacklich sind diese übrigens erst nach mehreren Frösten zu ertragen; vorher sind sie extrem herbsauer und zusammenziehend. Mundspülungen mit einem starken Sud aus getrockneten Schlehenfrüchten sind aus nachvollziehbaren Gründen ein probates Mittel bei Entzündungen der Mundschleimhaut – wechseln Sie hierbei ruhig mit Blutwurz-Tinktur oder Salbeitee ab. Man kann auch einfach mehrmals täglich ein paar getrocknete Schlehenfrüchte kauen, und ganz Tapfere essen reife Früchte sogar noch vor dem Frost frisch vom Strauch: Der Gerbstoffgehalt ist dann noch höher. Bitte die Kerne nicht mitessen, sie sind erstens extrem hart und enthalten zweitens Amygdalin, das in größeren Mengen Vergiftungen auslösen kann.

Weniger bekannt sind die Heilkräfte von Schlehenblüten. Sie erscheinen noch vor den Blättern im zeitigen Frühjahr. Ein Tee daraus wirkt beinahe ebenso adstringierend wie die Früchte, dazu aber noch schweiß- und harntreibend. Bei der Behandlung von fieberhaften Erkältungen sowie Blasenerkrankungen und Gicht ist dies ausdrücklich erwünscht.

Wichtig: Sehr hohe Temperaturen zerstören einen Teil der Inhaltsstoffe – lassen Sie das Wasser deshalb auf 60–70°C abkühlen, bevor Sie den Tee aufgießen! Alternativ pflücken Sie die hübschen Blüten einfach frisch und streuen sie auf Süßspeisen oder naschen sie einfach so. Sie schmecken schön süß. Geben Sie dabei gut auf Ihre Hände acht; die Pflanze weiß sich wirklich gut zu wehren!

Zur regenerierenden Hautpflege kann man eine Handvoll frischer Schlehenblüten etwas zerdrücken, mit gutem Mandelöl übergießen und drei Wochen lang an einem hellen Ort stehen lassen. Täglich schütteln!

Übrigens:

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Es ist aus vielen Gründen eine gute Idee, bei der Gartenplanung Platz für den einen oder anderen Schlehdorn-Strauch zu reservieren. Während nämlich seine Blüten und Beeren uns Menschen gesund übers Jahr bringen und den kargen Winterspeiseplan heimischer Tiere bereichern, bietet sein dichtes, mit scharfen Dornen besetztes Geäst lebenswichtigen Schutz für heimische Singvogelarten. Die zahllosen, herrlich duftenden weißen Blüten erfreuen ab März nicht nur als erste das wintermüde Auge, sondern sind obendrein eine wichtige Nektarquelle für Schmetterlinge wie das Tagpfauenauge. Zahlreiche andere Insekten ernähren sich von den Blättern, dem Blütennektar und den Beeren. Und an den Dornen spießt der selten gewordene Neuntöter, ein Zugvogel, seine aus Insekten und kleinen Wirbeltieren bestehende Beute auf – als Vorrat. Dass Schlehdornsträucher sich wie keine andere Pflanze für schwierige Gartensituationen wie trockene Abhänge, steile Uferböschungen und „tote Ecken“ an Mauern eignet, kommt noch hinzu.