
Foto (c)Biggi Mestmäcker
Es gibt wohl kaum eine Heilpflanze, die gleichzeitig so präsent und so unterschätzt ist wie das Gänseblümchen. Ja, Sie lesen richtig: Das Gänseblümchen ist tatsächlich eines unserer mächtigsten heimischen Arzneikräuter. So etwas traut man dem freundlichen Dauerblüher mit den zarten weißrosafarbenen Blütenblättern und dem gelben Auge gar nicht recht zu, stimmt‘s? Irgendwie bringt man es vorrangig mit Blumenkränzen und Liebesorakeln in Verbindung. In England hingegen macht man Jahreszeiten daran fest: „Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, ist Frühling“. Dumm ist diese Beobachtung jedenfalls nicht; zwar finden sich sogar unter der Schneedecke vereinzelte Blüten, doch so richtig geht es erst ab März los.
Sehen wir uns nun zunächst die weiteren Volksnamen unserer kleinen Heldin an. „Tausendschön“ nennt man sie, „Maßliebchen“ und „Augenblümchen“ – und auf Latein Bellis perennis, was so viel wie „ewig/ganzjährig schön“ bedeutet. Als ob bescheidene Hübschheit und Wimpernklimpern alles wäre, was die Pflanze zu bieten hat! Das Gegenteil ist der Fall. Denn der hohe Gehalt an Saponinen, Flavonoiden, ätherischen Ölen, Gerbstoffen, Schleimstoffen sowie Vitaminen und Mineralien verschafft dem Gänseblümchen eine immense Heilkraft auf vielen Gebieten.
Seine krampf- und schleimlösenden, antibakteriellen, adstringierenden, harntreibenden, harnsäurelösenden, blutreinigenden und stoffwechselanregenden Eigenschaften machten es schon im Mittelalter zu einem beliebten Mittel bei diversesten Beschwerden. Kräuterpfarrer Künzle (1857–1945) empfahl es später zusammen mit anderen Kräutern für Kinder, die noch nicht so recht gedeihen wollen.
Die heutige Volksmedizin verwendet es innerlich als Tee oder Tinktur gegen Atemwegsinfekte (Bronchitis und Husten), Verdauungebeschwerden, Menstruationskrämpfe, Frühjahrsmüdigkeit, Gicht, Nieren- und Leberschwäche. Außerdem kann es schwere Gemüter ein bisschen erheitern – hier empfiehlt sich eine Kombination z.B. mit Johanniskraut-Präparaten.
Äußerlich setzt man es in Form von Waschungen oder Umschlägen (mit Tee oder verdünnter Tinktur) sehr erfolgreich gegen Hautleiden ein. Speziell Akne, Ekzeme, Neurodermitis, schlecht heilende Wunden, Mundschleimhautentzündungen oder Milchschorf bei Babys sprechen auf die Behandlung gut an. Bei Prellungen und Zerrungen hat das Gänseblümchen ähnliche Wirkungen wie die dafür deutlich bekanntere Arnica; hier kommt neben wiederholten Umschlägen auch die homöopathische Darreichungsform als Bellis perennis Globuli sowie als wesentliche Zutat der bekannten Traumeel-Salbe zur Anwendung. Versuchen Sie all dies auch einmal bei lästigem Muskelkater!
Und noch einen weiteren Verdienst kann sich die Heilpflanze des Jahres 2017 auf die Fahnen schreiben – nämlich die Wiederherstellung unseres Vertrauens in die Natur jenseits der Gemüsetheken. Meist schafft es das Gänseblümchen als erstes essbares Wildkraut in den Salat, aufs Butterbrot oder in den Kräuterquark, gefolgt von weiteren Kollegen wie Löwenzahn oder Spitzwegerich. Das wissen heute sogar betongewöhnte Städter und natürlich Kinder, weshalb das traditionelle Blumenkettenflechten schon mal zur Nascherei wird. Spannend finden die Kleinen auch, dass Gänseblümchen mit ihrem Gesicht grundsätzlich die Sonne „anschauen“ und den ganzen Tag mit ihr wandern. Das nennt man heliotrop (griech. hēliotrópion = sich der Sonne zuwendend).
Also: Lassen Sie Ihren Rasen deshalb doch einfach mal ein paar Tage länger ungemäht und nutzen Sie die „wilden Kräfte“ der Wiese!

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