Kirsche: Die fruchtige Sommerbotin mit den überraschenden Gesundheitstalenten

Kirschen - Prunus avium, Prunus cerasis

Kirschen – Prunus avium, Prunus cerasis

Wenn mit jemandem „nicht gut Kirschen essen“ ist, möchte man mit ihm lieber nichts zu tun haben. Das Gegenteil sind logischerweise Menschen, mit denen man seine Kirschen – am liebsten die aus Nachbars Garten, weil die bekanntlich immer süßer schmecken! – sehr gern teilt.

In Japan wird eine Verwandte der Namensgeberin dieser Redensarten mit den traditionellen Hanami-Kirschblütenfesten regelrecht verehrt. Nur für etwa 10 Tage im Frühjahr blühen japanische Kirschbäume (sakura) verschwenderisch und tauchen ganze Landstriche in ein Meer aus Rosa … ohne danach Früchte zu tragen. Diese flüchtige atemberaubende Schönheit spiegelt das in der japanischen Kultur immer wieder auftauchende Motiv von Jugend, Reinheit und Vergänglichkeit in Perfektion wider.

Glücklicherweise verwöhnen uns die meisten hierzulande angebauten Kirschensorten im Hochsommer durchaus mit säuerlichen oder saftig-süßen Früchten. Vergänglich ist dann höchstens die Bikinifigur, denn Kirschen machen als Zutat einfach alles sommerköstlich: Kirschmarmelade, Kirschgrütze, Schwarzwälder Kirschtorte, Kirschlikör … und was wäre ein Toast Hawaii ohne eingelegte Cocktailkirsche, Omas Kaffeekränzchen ohne Mon chérie? Unbedingt probierenswert sind zudem orientalische Rezepte wie das syrische Nationalgericht Lahme bi Karaz, das Kirschen mit deftigen Zutaten wie Hackfleisch und scharfen Gewürzen kombiniert.

An dieser Stelle dürfen wir übrigens dem Mann danken, dessen Name „lukullische Genüsse“ kennzeichnet: Der berühmte römische Feldherr und Feinschmecker Lukullus brachte im 1. Jahrhundert v.Chr. einige Kirschbaum-Zuchtvarianten aus Kleinasien nach Italien. Von dort verbreitete sich die Pflanze aus der Familie der Rosengewächse rasant durch ganz Europa und in den Rest der Welt.

Grüne Kapsel mit BlattNeben aller kulinarischen Vielfalt bringen gleich mehrere Teile der Kirsche auch zahlreiche Heilwirkungen mit. Nur wenige sind heute noch weithin bekannt – zu Unrecht!

Insgesamt sind Kirschen zwar keine allzu spektakuläre Vitamin- oder Mineralstoffquelle. Wovon sie aber reichlich haben, sind wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide (z.B. Anthocyane, Catechin, Quercetin) oder Chlorogensäure. Diese haben nachweislich starke antioxidative Effekte und schützen so die Zellen vor degenerativer Veränderung. Gleichzeitig helfen sie dabei, akute oder chronische Entzündungen auszuheilen. Damit sind sie ideale Verbündete im Kampf gegen sogenannte „Zivilisationskrankheiten“ wie Arteriosklerose, Bluthochdruck, Gicht, Rheuma, Demenz, Arthrose, nichtalkoholische Fettleber oder Diabetes mellitus. Montmorency-Sauerkirschen scheinen bei all diesen Indikationen die Nase vorn zu haben.

Da frische Früchte nicht immer verfügbar sind, ist Kirschsaft oder -extrakt ganzjährig eine gute Zufuhrmethode. Studien untermauern die teilweise verblüffenden Wirkungen, z.B. gegen Bluthochdruck: Hier senkte bereits ein einziges Glas Kirschsaft den Blutdruck der Proband*innen signifikant – für 6 Stunden! Viele Menschen berichten von besserem Schlaf (Kirschen enthalten Melatonin!) sowie nachlassende Kopf- und Gelenkschmerzen durch regelmäßigen Kirschengenuss. Und Sportler klagten nach Trainingseinheiten, die mit einer Portion Montmorency-Kirschen-Konzentrat begannen, von weniger Muskelkater.

Gut zu wissen:

Die Früchte von Süß- (Prunus avium) und Sauerkirschen (Prunus cerasus) enthalten zwar relativ viel Zucker, sind in Maßen wegen ihrer niedrigen sog. glykämischen Last auch für Diabetiker*nnen ein geeignetes Obst.

Die unscheinbaren Kirschkerne speichern als Kissenfüllung Wärme und lindern so Bauch- und Regelschmerzen sowie Verspannungen. In der Ergotherapie liefern sie wertvolles sensorisches Feedback für Menschen mit Empfindungsstörungen.

Abkochungen aus der Rinde junger Traubenkirschenzweige gab man volksheilkundlich gegen Gicht und epileptische Anfälle. Von dieser Anwendung ist heute dringend abzuraten, weil sich schon geringe Überdosierung mit heftigem Erbrechen und Durchfällen rächt. Denken Sie bei Gicht lieber an das erstaunlich vielseitige „Unkraut“ Giersch oder grünes Haferkraut – und Epilepsie gehört sowieso in Spezialistenhände.

Ebenfalls volksheilkundlich gab man Zubereitungen aus Kirschblättern und -blüten gegen Lungenerkrankungen und „Hysterie“. Heute sind sie manchmal noch Bestandteil von Entwässerungs- und Entschlackungstees.

Und hier kommt der ultimative Upcycling-Tipp:

Getrocknete Kirschenstiele ergeben einen ausgezeichneten schleimlösenden Hustentee! Besonders bei Kindern hat er sich sehr bewährt. Zusätzlich kann man ihn zur Herzstärkung trinken – am besten kombiniert mit Weißdorn – und als Gesichtswasser bei unreiner Haut nutzen.

Ebenfalls schleimlösend ist eine Tinktur aus in Weingeist ausgezogenem Kirschbaum-Harz. Bitte bohren Sie dafür aber keine gesunden Bäume an, sondern sammeln Sie einfach Harz, das nach dem Rückschnitt an den Ästen austritt. Alternativ können die Harzkügelchen einfach gelutscht oder in heißem Wasser aufgelöst werden.

Übrigens:

Der Mythos, dass man nach dem Genuss von Kirschen kein Wasser trinken darf, weil sonst Bauchschmerzen drohen, konnte wissenschaftlich bisher nicht bestätigt werden. Bekannte Fälle aus alter Zeit dürften auf chemische Reaktionen zwischen verunreinigtem Trinkwasser und bestimmten natürlichen Hefen oder Bakterien auf den Früchten zurückzuführen sein.